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Pflegeausbildungsreform: Generalistik ist die Zukunft

12.04.2017 14:52
„Aus fachlicher Sicht kann die Einführung der Generalistik nur begrüßt werden, sie ist überfällig", erklärt Professor Frank Weidner, Leiter des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP). Das Beibehalten von Altenpflege und Kinderkrankenpflege als eigenständige Berufsabschlüsse und das Offenhalten einer endgültigen Entscheidung seien jedoch unsinnige und zukunftsgefährdende Entscheidungen, ist Weidner überzeugt.

Sowohl pflegewissenschaftliche Ergebnisse der letzten Jahre aus einer Vielzahl von Modellprojekten als auch die international übliche Ausgestaltung einer umfassenden Pflegeausbildung sprechen laut DIP eindeutig für die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit einem einzigen Berufsabschluss nach drei Jahren Ausbildungszeit. Insofern ist die nun beschlossene Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit vorbehaltenen Tätigkeiten und grundständigem Pflegestudium auch in Deutschland ein Meilenstein. „Ich kann allen Pflegeausbildungsstätten und den Bundesländern nur dringend empfehlen, sich der Generalistik ab 2019 vollständig zu öffnen und diesen zukunftsweisenden Weg zu präferieren und konsequent zu gehen“, ergänzt Weidner.

Die Vereinbarungen fallen nach Meinung des Instituts jedoch mit der Beibehaltung der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege als eigenständige Berufsabschlüsse deutlich hinter den Kompromiss, der bereits im Kabinettsbeschluss zur Pflegeberufereform von Anfang 2016 steckt, zurück. Nun soll es zukünftig weiterhin drei Berufsabschlüsse geben, die sich allerdings dann noch weniger unterscheiden ließenen als zuvor schon.

Dann soll es neben einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson z.B. mit Schwerpunkt Altenpflege auch eine Fachkraft Altenpflege mit generalistischer Grundausbildung geben. „Das ist wie den Euro einführen und weiter mit der D-Mark bezahlen“, kritisiert Weidner. Auch eine europarechtliche Bewertung steht noch aus. Neben dem Berufsabschluss in der Altenpflege könnte so auch die Kinderkrankenpflege europaweit Probleme bei der Fachkraftanerkennung bekommen.

Zudem bemängelt der Direktor des DIP, dass für mindestens sechs Jahre eine recht unübersichtliche Situation entstehen wird, die die Bewerber und Schüler gleichermaßen verunsichern dürfte. „Denn es steht zu befürchten, dass die Lobbyisten aus Alten- und Kinderkrankenpflege ihre partikularen Interessen bis zur Entscheidung im Jahr 2025 auch auf dem Rücken der Schüler weiter ausfechten werden“, sagt Weidner. Das könnte beispielsweise bei der Organisation und Umsetzung der praktischen Ausbildung eine unrühmliche Rolle spielen.

Allerdings sind viele Details der Reform noch gar nicht bekannt und, so vermutet Weidner, auch noch nicht abschließend zwischen den Fraktionen geklärt. Nebulös erscheinen ihm bis dato beispielsweise die Regelungen zu den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für die Sonderwege, die Lehr- und Lernkonzepte sowie die Organisation der notwendigen praktischen Ausbildungsanteile. Weidner: „Ich wundere mich schon, dass im jetzt vorgestellten, mühselig zusammengezimmerten Kompromiss diese Fragen, die im vergangenen Jahr mit Vehemenz zur Entscheidung eingefordert wurden, nun ganz einfach übergangen worden sind.“

Weidner kritisiert darüber hinaus, dass in der Koalition auch überlegt wurde, die ersten zwei Jahre der Ausbildung als Pflegeassistenz anzuerkennen. „Wer glaubt, dass der Unterschied zwischen einer Fachkraft und einer Assistenzkraft nur in der Dauer der Ausbildung liegt, hat ganz offensichtlich nichts von Bildungswegen verstanden“, betont Weidner und ergänzt: „Außerdem liegt die Regelungskompetenz für die Assistenzberufe nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dieser Drops ist noch nicht gelutscht!“

Zudem warnt der Pflegeforscher davor, dass bei der Umsetzung des Kompromisses eine erhebliche Bürokratie auf die Länder, die Behörden und Schulen zukommen würde. Dies alles sind Weidner zufolge zusätzliche Anstrengungen, die man sich hätte sparen können, wenn man den seitens der Fachverbände, der Pflegewissenschaft und der Wohlfahrtspflege durchgängig begrüßten Entwurf des Kabinetts zum Pflegeberufereformgesetz aus dem Januar 2016 „einfach so, wie er ist“ verabschiedet hätte. „Die jetzt vorgestellten Ideen jenseits der Generalistik können nur mit der heißen Nadel gestrickt worden sein“, resümiert Weidner. „Abgesehen von den unsinnigen Vorstellungen zur eigenständigen Alten- und Kinderkrankenpflege setze ich nun aber ganz und gar auf den generalistischen Anteil der Vereinbarung. Das ist die Zukunft!“

Bildquelle: DIP

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