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Studie: Gesetzliche Mindeststandards für Pflegepersonalschlüssel begünstigen Patientengesundheit

10.02.2017 11:10
In Deutschland könnte ein gesetzlich festgelegter Mindestpersonalschlüssel Arbeitsüberlastung und Qualitätsmängel lindern, zeigt die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie „Nurse-to-Patient Ratios“. Die Autoren Prof. Dr. Michael Simon (Hochschule Hannover) und Sandra Mehmecke (Medizinischen Hochschule Hannover) haben darin dokumentiert, welche rechtlichen Vorgaben für eine angemessene Personalausstattung weltweit existieren. Der Analyse zufolge wären die untersuchten Regelungen in großen Teilen auf Deutschland übertragbar.

Die Relation zwischen Krankenschwestern und Patienten (Nurse-to-Patient-Ratio) sei nicht nur ein wichtiger Gradmesser für die Qualität der Arbeitsbedingungen, sondern beeinflusse auch die Qualität der Pflege und damit die Patientengesundheit, so Simon und Mehmecke. Empirische Studien hätten gezeigt, dass sich die Personalbemessung unter anderem auf das Risiko von Infektionen, Thrombosen und Todesfällen durch zu spät erkannte Komplikationen auswirkt. Gesundheitspolitisch könne diesem Zusammenhang durch verbindliche Mindeststandards Rechnung getragen werden. Beispiele für entsprechende Vorgaben haben die Autoren mittels systematischer Literatur- und Onlinerecherche identifiziert.

Am stärksten ausgeprägt ist die Regulierung demnach in den USA und Australien. In Kalifornien sind sogenannte Nurse-to-Patient-Ratios für ein breites Spektrum an Krankenhausstationen, Notaufnahmen und Kreißsälen gesetzlich verankert, in Massachusetts für Intensivstationen. Dabei gelten je nach Versorgungsstufe und Schicht unterschiedliche Quoten. Insgesamt zwölf weitere US-Bundesstaaten haben der Auswertung zufolge ebenfalls Rechtsvorschriften zur Personalbemessung in der Krankenpflege erlassen. Mehrheitlich verpflichten sie die Krankenhäuser zur Einrichtung von paritätisch besetzten Kommissionen, die verbindliche Stellenpläne erarbeiten.

In Australien gibt es in zwei Bundesstaaten gesetzliche Vorgaben, in den übrigen Bundestaaten ist die Personalbemessung in tarifvertraglichen Vereinbarungen geregelt, die den Pflegedienst fast komplett abdecken.

Die gesetzlich vorgegebenen Personalschlüssel seien lediglich ein Minimum, erklären die Forscher. Die Krankenhäuser seien verpflichtet, den individuellen Pflegebedarf jedes Patienten zu erheben und bei Bedarf zusätzliches Personal einzusetzen. Welche Instrumente bei der Bedarfsermittlung zum Einsatz kommen, darüber entscheiden in der Regel Vertreter der Klinikleitung und der Pflegekräfte in gemeinsamen Kommissionen. Ähnliche Gremien sind neben staatlichen Stellen auch dafür zuständig, die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Bei Verstößen reichten die Sanktionen von Geldbußen bis hin zum Entzug der Betriebszulassung.

USA: 5,3 Patienten pro Fachkraft, Niederlande: 7, Deutschland: 13

Deutschland hinkt bislang hinterher: Lediglich für Intensivstationen für Neugeborene hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Klinikträgern und Krankenkassen einen Personalschlüssel festgelegt, der eigentlich ab Anfang 2017 gelten sollte. Die Allgemeinverbindlichkeit sei durch weitgehende Übergangsregelungen kurz vor Inkrafttreten allerdings faktisch wieder aufgehoben worden, so die Experten.

Dabei wären verbindliche Richtlinien hierzulande dringend nötig: Die Forscher zitieren die internationale Pflege-Vergleichsstudie RN4CAST aus dem Jahr 2012, der zufolge in den USA durchschnittlich 5,3 Patienten auf eine Pflegefachkraft kommen, in den Niederlanden 7, in Schweden 7,7 und in der Schweiz 7,9. In Deutschland müssen sich Krankenschwestern dagegen im Schnitt um 13 Patienten kümmern.

Da einheitliche Regelungen über Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen nur schwer zu erreichen seien, empfehlen die Autoren den Weg für eine angemessene Personalausstattung in deutschen Kliniken über staatliches Recht – und plädieren dafür, Druck auf die Politik aufzubauen: Die gesetzlichen Vorgaben in den USA und Australien seien auf Kampagnen der in Gewerkschaften und Berufsverbänden organisierten Pflegekräfte zurückzuführen.

Das Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung (Nr. 27, Februar 2017) kann hier heruntergeladen werden.

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