Sie sind hier: Startseite News Laumann: Die Altenpflege ist das „Aschenputtel des deutschen Pflegesystems"

Laumann: Die Altenpflege ist das „Aschenputtel des deutschen Pflegesystems"

08.04.2015 09:50
Berlin (scp) – „Ich denke am meisten darüber nach, wo wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herbekommen, die die Pflege und Betreuung der Menschen übernehmen, die auf diese angewiesen sind", zieht der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, auf dem Deutschen Pflege Forum ein erstes Resümee seiner einjährigen Amtszeit. „Über viele Jahrzehnte hinweg werden wir jedes Jahr zwischen zwei und drei Prozent mehr pflegebedürftige Menschen bekommen."

„Es tut mir manchmal richtig weh, wenn ich sehe, wie schlecht die Pflege in Deutschland organisiert ist", sagt Laumann weiter. Die 29.000 Apotheker seien wesentlich besser organisiert als die über 1 Million Pflegekräfte in Deutschland. Laumann sieht es dabei als eine seiner Aufgaben an, das Selbstbewusstsein der Pflege zu stärken. Der Pflegeberuf sei hoch anspruchsvoll und ein schöner Beruf. Laumann spricht aus Erfahrung. Seit 27 Jahren ist er mit einer Krankenschwester verheiratet.

Im Gesundheitssystem stecke „unheimlich viel Geld". Viele Akteure verfolgten in diesem aber nur ihre eigenen Interessen, mahnt Laumann. „Ich glaube, dass die Pflege auch in der Frage der Ressourcen nicht immer den Kürzeren ziehen darf." Eine überproportionale Bezahlung der Ärzte zulasten der Pflege, wie in der Vergangenheit geschehen, verurteilt Laumann.

"Die Altenpflege ist das „Aschenputtel des deutschen Pflegesystems"

Im Vergleich zur Krankenpflege „ist die Altenpflege das „Aschenputtel des deutschen Pflegesystems"", und wird deutlich geringer bezahlt. Die Würde von Arbeit drücke sich auch in Geld aus, machte Laumann deutlich. "Treffen Sie in Ihrem Unternehmen die Entscheidung, auf die neue Pflegedokumentation umzustellen und sparen Sie 30-35 Prozent an Zeit ein", rief Laumann den Teilnehmern des Deutschen Pflegeforums zu: „Die neue Pflegedokumentation stärkt die Fachlichkeit der Pflegekräfte".

Die bisherige Dokumentationspraxis beschreibt der Pflegebevollmächtigte mit den Worten: "Der Wahnsinn feiert Triumphe". Im Ergebnis habe die bisherige Dokumentation kaum Aussagekraft. Das soll sich jetzt ändern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Pflegenoten zu retten sind. Ziel muss es sein, diese abzuschaffen oder auszusetzen", macht Laumann seine Auffassung zum aktuellen Pflege-TÜV deutlich. Er will keine Abschaffung der Kontrollen, aber eine Messung der Endqualität von Pflege.

Zudem befürwortet Laumann mehr Bürgerschaft bei der „Prüfung von Pflegeeinrichtungen". „Ich würde es mir wünschen, dass, wenn es Probleme in der Pflege gibt, diese im Rathaus landen", sagte Laumann. Gut beraten sei man auch, sich Gedanken über die Ausbildung in der Pflege zu machen. Laumann ist gegen das „Kästchendenken Altenpflege, Krankenpflege". Er will die Pflegeausbildung hin zur Generalistik reformieren. Auch darin sieht er einen Beitrag für ein höheres Selbstbewusstsein der Pflege. „Es sieht danach aus, dass alle Bundesländer bei diesem Thema mitziehen", zeigt sich der Pflegebevollmächtige zuversichtlich

Infrastruktur mit dem Radius eines Gehwagens planen

„In den Städten und Gemeinden brauchen wir eine Infrastruktur für hochbetagte Menschen", machte Laumann deutlich: Geplant werden müsse mit dem „Radius eines Gehwagens". Die Betonung der Tagespflege im Pflegestärkungsgesetz sei somit eine Strukturentscheidung gewesen. Entstehen müssen diese dort, wo der Mittelpunkt der Menschen ist, und nicht auf einem Grundstück im Gewerbegebiet.,Die Seele der Pflegeversicherung wird sich verändern,,„Die Seele der Pflegeversicherung wird sich verändern", ist sich Laumann angesichts des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sicher. „Das Ding muss funktionieren. Zeit brauchen wir für das Gesetz und die Änderung der Strukturen, auf die wir uns einrichten müssen."

Laumann rechnet mit einer Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes im Jahr 2017. „Ohne neue Personalschlüssel wird eine Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes nicht funktionieren", mahnt Laumann. Die Personalschlüssel müssen neu verhandelt werden. Er weist darauf hin, dass, wenn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff am 1. Januar 2017 da ist, sich am 2. Januar nichts geändert habe. „Nach wie vor werden die gleichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da sein, wie einen Tag zuvor."

,,Ich will nicht, dass die Kassen wie der Bundesrechnungshof prüfen"

„Ich will nicht, dass die Kassen wie der Bundesrechnungshof prüfen", sagte Laumann mit Blick darauf, dass den Unternehmen „unternehmerische Freiheit bleiben muss". Es könne nicht eine Rückzahlung von Mitteln verlangt werden, wenn eine Stelle einmal sechs Wochen lang nicht besetzt werden könne. „Ich stelle mir das nicht alles so reglementiert vor", machte er deutlich. Wie die Fachkraftquote in der stationären Pflege auf Dauer geregelt werde, könne er heute noch nicht sagen. „Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass nicht auch andere Berufe bei ihrer Bestimmung aufgenommen werden können", betont Laumann. So gehöre in Nordrhein-Westfalen der Koch zur Fachkraftquote. Gefordert sieht der Pflegebevollmächtigte an dieser Stelle die Pflegewissenschaft.

Zitate:

„Es ist unverständlich, dass in sechs Bundesländern noch Schulgeld von bis zu 300 € pro Monat für die Altenpflegeausbildung vom Auszubildenden selbst bezahlt werden muss." Karl-Josef Laumann, Deutsches Pflege Forum, März 2015

„Die Altenpflege ist geprägt von einer hohen Fachlichkeit und einer beneidenswerten Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihrem Beruf." Karl-Josef Laumann, Deutsches Pflege Forum, März 2015

„Wir sollten keine Sackgassen bauen. Die Ausbildung zur Pflege muss auch mit einem mittleren Abschluss möglich sein." Karl-Josef Laumann, Deutsches Pflege Forum, März 2015

 

Autor/Quelle:Michael Schulz, scp