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16.12.2014 19:43
Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche bringt die Bundesregierung ein voraussichtlich verfassungswidriges Gesetz auf den Weg. Nach dem Gesetz zur Tarifeinheit will das Bundeskabinett morgen ein Versorgungsstärkungsgesetz beschließen, das gravierende Eingriffe in die demokratisch gewählte ärztliche Selbstverwaltung vorsieht. Führende Juristen bezeichnen dies als verfassungswidrig.
In den Vertreterversammlungen der von den niedergelassenen Ärzten gewählten Kassenärztlichen Vereinigungen sollen die Stimmen künftig so gewichtet werden, dass „insgesamt eine Parität der Stimmen zwischen Vertretern der Hausärzte und Vertretern der Fachärzte in der Vertreterversammlung besteht“.
„Damit wird, unabhängig von der gewählten Zusammensetzung der Vertreterversammlung, eine nachträgliche Stimmgewichtung in einem unter völlig anderen Voraussetzungen gewählten Wahlkörper vorgenommen. Dieser gesetzliche Eingriff in ein demokratisch gewähltes Gremium der Selbstverwaltung ist aus meiner Sicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zahlreiche Juristen sehen dies ebenso“, stellt der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte, Dr. Dirk Heinrich, fest.
Des Weiteren sollen zukünftig über die Belange, die ausschließlich die hausärztliche Versorgung betreffen, nur die Vertreter der Hausärzte, über die Belange, die ausschließlich die fachärztliche Versorgung betreffen, nur die Vertreter der Fachärzte abstimmen dürfen. „Dieser Ansatz ist angesichts einer gemeinsamen Verantwortung für die ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte schlichtweg realitätsfremd. Es gibt keine Belange, die rein haus- oder fachärztlich sind“, stellt Dr. Heinrich fest. Und schließlich seien die Vertreter für alle niedergelassenen Ärzte und nicht nur für ihre Fachgruppe oder entsprechend ihrer Verbandszugehörigkeit gewählt. „Man stelle sich einmal vor, der Deutsche Bundestag stimme nach Geschlechtern getrennt ab: Zu Themen, die Frauen betreffen, dürfen nur Frauen abstimmen und umgekehrt. Ein Aufschrei würde durch alle Fraktionen gehen“, so Dr. Heinrich weiter.
Darüber hinaus fehle die Notwendigkeit des gesetzgeberischen Handelns, denn bislang lägen keinerlei Belege dafür vor, dass ein Versorgungsbereich gegenüber einem anderen grob benachteiligt werde. „Die Politik ist einem einzigen hausärztlichen Verband auf den Leim gegangen, während die 61 anderen ärztlichen Berufsverbände sich in einer gemeinsamen Resolution schon im September dieses Jahres eindeutig dagegen ausgesprochen haben. Unter diesen Berufsverbänden waren auch die großen fachübergreifenden, die insgesamt zehntausende von Hausärzten vertreten“, stellt der Bundesvorsitzende fest.
Der Gesetzgeber handle nicht nur verfassungswidrig, mit den gesetzlichen Auflagen werde ein neues Konfliktfeld innerhalb der Selbstverwaltung geschaffen, das die Arbeitsfähigkeit stark beeinflussen werde. „Ich kann allen KVen nur empfehlen, diesen gesetzgeberischen Eingriff vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen“, rät Dr. Heinrich und erklärt: „Leider wiederholt sich hier die Praxis der Politik, Gesetze zu verabschieden, die später von Karlsruhe wieder einkassiert werden.“