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Statuserhebung: Medizinische Callcenter

08.06.2009 14:55
Krankenversicherungen betreten Neuland - agieren statt reagieren“, schreibt die amerikanische Beratungsgesellschaft Accenture in ihrem Vorwort einer Broschüre, die ihr Dienstleistungsportfolio im Bereich Gesundheitscoaching offeriert. Und weiter heißt es da: „Die aktive Beeinfl ussung der Morbidität der Versicherten und der Versorgung von Risikopatienten wird für die deutschen Krankenversicherer zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil.“ Das betont im Titelinterview mit „Monitor Versorgungsforschung“ (MVF 03/09) auch Josef Hecken, Präsident des BVA und Herr über viele Milliarden, die in der deutschen Gesundheitsversorgung ausgegeben werden. Doch wer sind diese Dienstleister, die mit Programmen aufwarten, die Eberhard Mehl, Hauptgeschäftsführer des Hausarztverbands nur zu oft an etablierten Strukturen vorbei agieren sieht? Und auf welcher Basis arbeiten diese meist medizinisch orientierten Callcenter? Wer steht hinter ihnen? Wie heißen ihre Kunden? Um einen ersten Transparenzansatz zu schaffen, hat die Deutsche Gesellschaft für bürgerorientierte Gesundheitsversorgung (DGbG) e.V. in Kooperation mit MVF eine Matrix zur Qualifizierung von medizinischen Callcentern entwickelt und abgefragt.

Da die großen deutschen Versorger-Krankenkassen (bis auf einige wenige Ausnahmen wie die von Accenture beratene KKH) heute noch nicht wirklich darauf eingerichtet sind, chronisch Kranke in ihrer Morbidität selbst zu steuern, brauchen sie Dienstleister. Diese sollen versicherte Chroniker und/oder Risikopatienten ebenso hochqualitativ wie effi zient betreuen: ob nun persönlich oder über elektronisch gestützte Medien. Dazu aber sind individualisierte Daten notwendig, deren Weitergabe Ende letzten Jahres auch gleich für Aufregung gesorgt hat. Ob es nun rechtens ist oder nicht, dass vertrauliche Patientendaten der DAK ohne vorige Zustimmung dem Callcenter Healthways zur Verfügung gestellt wurden, die damit im Auftrag der Kasse chronisch kranke Patienten betreuen soll, ist eine rechtliche Grauzone. Für den damals vom ARD-Magazin „Report Mainz“ befragten Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar gab es dafür „keine Rechtsgrundlage“, während die DAK in ihrem Vorgehen keine datenschutzrechtlichen Probleme sah und von „zulässiger Datenverarbeitung im Auftrag“ sprach.

Wie auch immer die letzt gültige rechtliche Auslegung nun aussieht: Fakt ist, dass der an sich erstrebenswerten Betreuung von Chronikern damit kein guter Dienst erwiesen wurde. Jedoch auch keiner, der nicht reparabel wäre, wenn die hier engagierten Dienstleister bereit sind, offen zu legen, nach welchen Ansätzen, Visionen und Programmen sie vorgehen und vor allem mit welchen Daten und für welche Kunden sie arbeiten! Und: Das sind sie. Jedenfalls
die Großen!

Um genau diese Transparenz zu schaffen, befragte ganz aktuell die DGbG e.V. in Kooperation mit MVF 51 vorher selektierte Callcenter. Diese wurden mit einer eigens dafür entwickelten, sehr ausführlichen Matrix konfrontiert. Diese wollten allerdings nur jene Unternehmen ausfüllen, denen Transparenz wirklich am Herzen liegt; oder aber jene, die wirklich in das Zielspektrum der Umfrage passten: Doch das waren weniger als gedacht!

Wie schwierig es ist, alleine die befragten Unternehmen richtig zu eruieren, zeigt das Beispiel des Berliner Callcenters Values5 HealthCare. Das Unternehmen erbringt nach Aussagen der Geschäftsführerin Ursula Steinmetz sehr wohl Leistungen für den Gesundheitsmarkt, wozu auch die Betreuung von Patientengruppen für eine Krankenkasse gehört. Dennoch macht sie hier einen Unterschied: „Wir erstellen keine medizinischen Programme. Wir führen Sie nur
aus.“ Die Programme oder Indikationen selbst würden dagegen von ihren Auftraggebern gestaltet und Matrix der medizinischen Callcenter Die DGbG e.V. und MVF sorgen für erste Transparenz verantwortet, während die „Kernkompetenz in der Erbringung von Callcenter-Leistungen“ zu verorten sei. Doch weil ihr Unternehmen aber vor allem in anderen Bereichen des Gesundheitswesens tätig sei, in denen der Schwerpunkt auf Vertrieb oder Verwaltung liege, sei ein Vergleich mit Unternehmen wie PHTS oder AnyCare einfach nicht passend.

Auch Andreas Berger, verantwortlich für das Healthcare-Management der buw Unternehmensgruppe in Osnabrück würde sich recht gerne in die Matrix einreihen, nimmt davon aber selbst Abstand. Zwar betreibt die buw sehr wohl ein medizinisches Service-Center, doch liegt der Schwerpunkt der realisierten Aufgabenstellungen in der Durchführung von Vakanzbetreuungen im ethischen Bereich (Ansprache von Fachzielgruppen) sowie der Übernahme von Inbound-Aufgabenstellungen (Fach- und Laienzielgruppen) für die Pharmaindustrie. Beide Aktivitäten würden bei buw zwar mit  medizinisch/pharmazeutisch ausgebildetem Personal gemäß §75 AMG beziehungsweise medizinisch vorgebildetem Personal durchgeführt, dennoch wären keine Auftraggeber aus der Krankenkassenszene dabei.

„Unsere Dienstleistungen für Krankenkassen spiegeln sich momentan vor allem in der Kundengewinnung und Rückgewinnung“, erklärt dagegen Stephanie Emmerich, Sales & Marketing von intertel in Nürnberg. „Dienstleistungen im Bereich Gesundheitscoaching bieten wir zur Zeit nicht an.“

Diese Antworten führen zu zwei großen Lagern in der Dienstleistungsszene: Zum einen jene der eher verwaltungs- und marketingorientierten Callcenter-Anbieter, in denen das Gros der Anbieter zu Hause ist. Und in eine relativ kleine, recht überschaubare Schicht jener Callcenter, die nicht nur klassische Callcenter-Services anbieten, sondern darüber hinaus noch mit entsprechendem Fachpersonal und dem ebenso entsprechenden Know-how die nötigen Betreuungsprogramme anbieten oder entwickeln.

Die größten med. Callcenter sind (nach Anzahl der Mitarbeiter)

Almeda (248 Mitarbeiter)  - die Matrix finden Sie hier
Sanvartis (175 Mitarbeiter) - die Matrix finden Sie hier
ADM (160 Mitarbeiter) - die Matrix finden Sie hier
4Sigma ( 80 Mitarbeiter)  - die Matrix zu 4Sigma finden Sie hier
Anycare ( 54 Mitarbeiter)  - die Matrix finden Sie hier

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Von Healthways und PHTS dagegen kamen leider keine Transparenz erzeugende Angaben, wodurch diese Unternehmen in den qualitativen Matrixbögen vorerst auch nicht erscheinen werden.

In diesen Matrix-Bögen ist genau ablesbar, wer die Eigner und Geschäftsführer sind. Aber auch, auf welcher Basis diese Callcenter mit welchem ausgebildeten Personal für welche Kunden an welchen Programmen arbeiten. Wie die Programme mit der Primär- oder Sekundärversorgung verschränkt sind. Und: Wie (vorsichtig) sie doch alle mit Kundendaten umgehen!

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