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Wird Pflege Zuhause unbezahlbar?

18.12.2014 14:34
Ab dem 1. Januar 2015 gilt bundesweit ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde. Dieser Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten. Und damit auch für einen Großteil der 150.000 bis 200.000 osteuropäischen Pflegekräfte, die in deutschen Haushalten tätig sind, um alte und hilfebedürftige Personen zu betreuen.

Die Kosten für eine legale häusliche 24‐Stunden‐Betreuung durch angestellte Betreuungskräfte, werden
daher ab dem 1. Januar 2015 erheblich ansteigen. Dies gilt sowohl für Betreuungskräfte, die in
Deutschland angestellt sind, als auch für im Ausland angestellte Betreuungskräfte, die nach Deutschland
entsendet werden. Dies erhöht bei Experten die Sorge, dass Senioren und Angehörige verstärkt
Angebote des Schwarzmarkts nutzen. Denn legt man den gesetzlichen Mindestlohn zu Grunde, rechnet
Kost und Logis, die solchen Betreuungskräften grundsätzlich gewährt werden müssen, sowie
Sozialabgaben und Arbeitgeberkosten hinzu, so belaufen sich die Kosten für eine angestellte
Betreuungskraft auf ca. 2.500 Euro brutto im Monat ‐ aufwärts. Ein Betrag, den sich betroffene Familien
nur in den wenigsten Fällen leisten können.

Die Problematik holt die Branche aus ihrem Schattendasein

Die Diskussionen und Beiträge über die Auswirkungen des Mindestlohns überschlagen sich in den
letzten Tagen. Das ARD Magazin Monitor zeigt eindrucksvoll die perfiden Tricks von Arbeitgebern, die
den Mindestlohn umgehen wollen, Thomas Öchsner, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, bezieht die
Diskussion auf ein Randthema: die häusliche Versorgung durch osteuropäische Betreuungskräfte. Auch
Promedica, ein Vermittler dieser Betreuungskräfte, macht gemeinsam mit Prof. Dr. Lothar Knopp, der als
Rechts‐Experte auf dem Gebiet der häuslichen Betreuung gilt, auf die Misere aufmerksam. Denn der
Mindestlohn steigert die Sorge vor Schwarzarbeit, mit der weder den Betreuungskräften noch den
Familien geholfen wäre. Knopp weist, wie auch der Sachverständigenrat der Wirtschaft oder Thomas
Öchsner in seinem Artikel in der Süddeutschen, zutreffend darauf hin, dass der Mindestlohn vor allem
die Arbeitsnachfrage im Bereich einfacher Tätigkeiten belasten wird. In Bezug auf die häusliche Pflege
wird damit „eine Abwanderung in die Schwarzarbeit geradezu provoziert.“

Auch Bereitschaftsdienste sind mindestlohnpflichtig

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19. November 2014 ‐ 5 AZR 1101/12)
verschärft die Situation zusätzlich. Demnach sind auch Bereitschafts‐ und Rufbereitschaftsdienste
mindestlohnpflichtig. „Spätestens nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts sollte klar sein, dass eine
häusliche Versorgung in der abhängigen Beschäftigung fast unmöglich ist. Denn demnach sind nicht nur
die reinen Arbeitszeiten, sondern auch die Zeiten, in denen Betreuungskräfte in Rufweite sind oder
sogar schlafen, nach Mindestlohn zu vergüten“, macht Simon Wenz, Geschäftsführer der Hausengel
Betreuungsdienstleistungen GmbH und zweiter Vorsitzender des Verband für häusliche Betreuung und
Pflege (VHBP e.V.) die Problematik deutlich.

Ausgabe 01 / 2015