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Neues Format, neue Herausforderung

12.10.2020 11:39
„Die Anliegen der professionell Pflegenden und besonders der Betroffenen sind selten wichtiger gewesen als in der jetzigen Situation“, erklärt Yves Rawiel die Transformation des Formates der Berliner Pflegekonferenz zu einer größtenteils im virtuellen Raum stattfindenden Veranstaltung. Dass Interessierte einfach und kostenfrei teilnehmen können, unterstreicht die tragende systemische und gesellschaftliche Bedeutung der Pflege, ihrer Berufsangehörigen und nicht zuletzt die der pflegenden Angehörigen, der spectrumK damit Rechnung trägt. An 8 Tagen, vom 5. bis 12. November, werden in benutzerfreundlichen zweistündigen Onlinesessions Talk- und Dialogrunden, Best-Practice-Vorstellungen oder Key Notes zu den aktuellen Pflegethemen gestreamt. Interaktion mit Referent*innen und Teilnehmer*innen ist möglich und vor allem eins: gewünscht.

>> Herr Rawiel, die „Berliner Pflegekonferenz“ passt sich den aktuellen Gegebenheiten an und findet 2020 erstmals im virtuellen Raum statt. Das klingt nach einer großen Herausforderung für spectrumK als Veranstalter. Wann haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden und wie sind Sie an die Umsetzung herangegangen?
Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen. Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft müssen sich derzeit fortlaufend neu orientieren und mit großen Unsicherheiten zurechtkommen. Als Ausrichter und auch als systemrelevanter Partner im Gesundheitswesen stand für uns aber schnell fest, dass die Berliner Pflegekonferenz eine Institution und heute wichtiger denn je ist, gerade auch mit Blick auf die Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Deshalb haben wir neu gedacht bei der Planung der Pflegekonferenz.

Eine große Aufgabe in der aktuellen Situation – denn Ihr Programm wartet mit vielen Akteuren auf.
Wir berücksichtigen dabei, dass wir eine sehr große Verantwortung für die Besucher und die zahlreichen Mitwirkenden der Pflegekonferenz, aber natürlich auch für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tragen. Da wir uns besonders an Menschen richten, die sich mit der Pflege beschäftigen, im Gesundheitssystem tätig sind oder selbst pflegebedürftige Angehörige betreuen, werden wir für den bestmöglichen Infektionsschutz sorgen. Gleichzeitig sind die Anliegen der professionell Pflegenden und besonders der Betroffenen selten wichtiger gewesen als in der jetzigen Situation. Wir müssen Ihnen eine Stimme verleihen, ihren Anliegen eine Bühne geben und den Dialog vorantreiben, wie mit klugen Ideen die Pflege so gestaltet werden kann, dass sie auch und gerade in Krisenzeiten menschenwürdig ablaufen kann.

Um dies zu vereinbaren – Infektionsschutz auf der einen und inspirierender Austausch auf der anderen Seite – haben wir ein tragfähiges Konzept ausgearbeitet. Die Berliner Pflegekonferenz 2020 findet zum Großteil im digitalen Raum statt. Damit gehen wir einen weiteren großen Schritt in der Digitalisierung, die durch die Corona-Pandemie einen riesigen Entwicklungssprung vollzogen hat. Dabei Vorreiter zu sein und mit smarten Lösungen voranzugehen, ist auch unser Anspruch als Ausrichter der Berliner Pflegekonferenz und als spectrumK.

Wie sieht das Konzept für die digitale Veranstaltung nun aus?
Unser diesjähriges Konzept zur Berliner Pflegekonferenz sieht vor, dass wir alle Inhalte für alle Interessierten einfach erreichbar und kostenfrei im digitalen Format zugänglich machen. Die zahlreichen Talk- und Dialogrunden, Best-Practice-Vorstellungen, Key Notes, Beiträge und vieles mehr können unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer an jedem Konferenztag im Livestream verfolgen.

Das klingt nach einem sehr besucherfreundlichen Konzept, ist an zwei Konferenztagen aber wohl schwerlich zu schaffen, wenn man davon ausgeht, dass nicht jeder Interessierte zwei Tage non stop vor dem Bildschirm sitzen kann.
Wir haben die Berliner Pflegekonferenz deshalb auf insgesamt acht Tage ausgedehnt. An jedem Tag zwischen dem 5. und dem 12. November präsentieren wir einen Themenschwerpunkt in verschiedenen Panels und Sessions. Dies erfolgt in zweistündigen Livestreams. Dafür haben wir extra eine Konferenzplattform eingerichtet, die alle Teilnehmer und Interessierte über eine URL aufrufen können. Ob von zu Hause, aus dem Büro oder von ganz woanders – die Berliner Pflegekonferenz 2020 kann von überall mitverfolgt werden.

Wir möchten mit intelligenten Lösungen und Angeboten die perfekten Voraussetzungen schaffen, damit alle Interessierten an der Berliner Pflegekonferenz teilnehmen können – trotz Corona. Und ein Punkt ist mir an dieser Stelle besonders wichtig: Der kostenfreie und einfache Zugang soll in diesen besonderen Zeiten sicherstellen, dass möglichst viele Menschen die Berliner Pflegekonferenz verfolgen können. Damit erfährt die Pflege die Wertschätzung, die sie verdient.

Wird es die Möglichkeit zum Austausch mit Diskussionsteilnehmern, Referenten oder anderen Konferenzteilnehmern geben?
Der intensive Austausch zwischen den Teilnehmern und allen Mitwirkenden ist fester Bestandteil und gehört zur DNA der Berliner Pflegekonferenz. Das ist natürlich in diesem Jahr auch der Fall, denn wir wünschen uns keine einseitige Kommunikation. Unser Ziel ist der offene und gewinnbringende Dialog. Deshalb bieten wir diverse Interaktionsmöglichkeiten für unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dazu nutzen wir verschiedene Kanäle. Zum Beispiel können unserer Besucherinnen und Besucher über unsere Live-Chats auf der Konferenzplattform in unseren speziell darauf zugeschnittenen Formaten direkt Fragen adressieren und ihre Standpunkte einbringen.

Wir wollen eine Gesprächsatmosphäre auf Augenhöhe gewährleisten. Die Realisierung im virtuellen Raum bringt einige Besonderheiten und Herausforderungen mit, für die wir aber sehr gute und tragfähige Lösungen gefunden haben. Wir werden also viele Möglichkeiten bieten, damit Mitwirkende und Teilnehmer gemeinsam diskutieren können.

Wo setzen Sie die Themenschwerpunkte?
Digital ist nicht nur das Format, auch inhaltlich setzen wir uns intensiv mit den Chancen und Potenzialen der Digitalisierung in und für die Pflege auseinander. In verschiedenen Talk- und Diskussionsrunden, Beiträgen und Präsentationen zeigt die Berliner Pflegekonferenz 2020, wie mit digitalen Anwendungen die Pflege verbessert und gleichzeitig würdig gestaltet werden kann. Besonders bei unserer Kick-off-Veranstaltung, dem #KickOffPanel, stellen wir Positionen und Statements vor, die sich mit der Digitalisierung als Chance für die Pflege beschäftigen. Sie ist auch Thema unser hochkarätig besetzen Gesprächsrunde. Wichtig ist uns jedoch besonders, dass nicht die Technik, sondern der Mensch im Mittelpunkt der Lösungen steht. Dies ist auch bei den weiteren Themenschwerpunkten der Fall.

Zum Beispiel?
Im Digital Workspace am zweiten Tag der Berliner Pflegekonferenz beipielsweise finden Fachgespräche und Best-Practice-Vorstellungen statt. Unter anderem dreht es sich dabei um die große Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in der Pflege und die Frage, wie die psychische Gesundheit von Pflegekräften geschützt werden kann. Wir werden hier sehr praxisnahe Projekte sehen, die sich an den Betroffenen und den Menschen in der Pflege orientieren. An jeweils einem Konferenztag präsentieren wir darüber hinaus das nationale und das internationale Partnerland der diesjährigen Pflegekonferenz. In Talkformaten, Interviews und mit Kurzpräsentationen zeigen hochrangige Vertreter und Experten aus den jeweiligen Ländern und Regionen, mit welchen Konzepten und Projekten vor Ort eine gute Pflege realisiert wird.

Außerdem richten wir den Fokus auf eine Gruppe, die den Großteil der Pflege in Deutschland stemmt. Ihnen widmen wir unter dem Motto #PflegeimDialog den Tag der pflegenden Angehörigen. Dieser enthält unter anderem eine Live-Beratung für alle, die zu Hause pflegebedürftige Angehörige versorgen, sowie weitere interaktive Gesprächsformate.

Sie richten mit Sicherheit auch den Blick in die Zukunft.
Wir diskutieren die Frage, wie wir alle im Alter leben wollen. Mögliche Wege und Lösungen demonstrieren ausgezeichnete Beispiele für eine zukunftssichere Pflege. Und natürlich dreht sich ein Schwerpunkt der Berliner Pflegekonferenz 2020 um die Situation in der Pflegepraxis. Wir stellen uns dabei unter anderem die Frage, wie die Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert werden können. Antworten dazu erfahren die Besucher der diesjährigen Pflegekonferenz in Diskussionsrunden, Vorträgen und Fachgesprächen.

Auf der Präsenzveranstaltung wurden bisher stets der Marie Simon Pflegepreis sowie der Otto Heinemann Preis verliehen. Wird es im Rahmen der digitalen Veranstaltung Raum für diese Preisverleihungen geben?

Diesen Raum und auch diese Bühne in der jetzigen Ausnahmesituation durch die Corona-Pandemie zu schaffen, war und ist uns und unseren Partnern ein sehr großes Anliegen. Daher wurden auch in diesem Jahr die Pflegepreise ausgelobt. In den Jurysitzungen zu den Preisen stellten sich die Juroren die Frage: Können wir den besonders engagierten Initiativen und Unternehmen, die sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise für die Pflege starkmachen, den zusätzlichen Aufwand, den eine Bewerbung für einen Preis mit sich bringt, zumuten? Und die einhellige Meinung war: Wir ermöglichen mit den Preisen eine sehr wichtige Plattform, auf der die Bewerber ihre Ideen, Ansätze und Lösungen der Öffentlichkeit zeigen können. Sie werden so zu Vorbildern und erhalten auch die Wertschätzung, die sie für ihr Engagement verdienen. Gerade in Zeiten wie diesen ist es besonders für die potenziellen Bewerber sehr wichtig, dass auf der Berliner Pflegekonferenz 2020 der Marie Simon Pflegepreis wie auch der Otto Heinemann Preis vergeben werden.

Wie sieht die Bühne aus, die Sie den Nominierten bereiten?

Wir haben das große Finale der diesjährigen Pflegekonferenz so konzipiert, dass die Preisverleihungen in einer Mischung von Präsenz- und Digitalveranstaltung stattfinden können. Natürlich halten wir uns auch an diesem Tag streng an die Vorgaben zum Infektionsschutz. Die besondere Ausrichtung in diesem Jahr ermöglicht uns außerdem die Vergabe eines weiteren Preises. Unsere Online-Teilnehmer können nach Bekanntgabe der Nominierten des Marie Simon Pflegepreis über ein digitales Voting das Projekt ihres Herzens auswählen. Der Preisträger oder die Preisträgerin werden dann ebenfalls beim Finale am 12. November bekannt gegeben und ausgezeichnet.

Haben sich ähnlich viele Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen beworben wie in den letzten Jahren und wie gestalten sich die Jurysitzungen?
Die Jurysitzungen waren eine erste Probe unseres diesjährigen Konferenzkonzeptes im kleineren Rahmen, denn sie liefen digital ab. Das Ergebnis hat uns darin überzeugt, dass wir eine tragfähige Lösung gewählt haben. Zu den Bewerbungen: Für den Marie Simon Pflegepreis gingen in diesem Jahr ähnlich viele Bewerbungen ein wie in den letzten Jahren. Es gab also keinen Corona-bedingten Rückgang, was uns, unsere Partner und die Jury natürlich sehr gefreut hat. Bemerkenswert ist, dass sich vermehrt Organisationen und Initiativen beworben haben, die mit ihren Projekten und Angeboten konkret Bezug auf die Entwicklungen und Auswirkungen der Corona-Pandemie nehmen. Da es sich meist um ehrenamtliche oder gemeinnützige Einrichtungen handelt, ist dies umso beeindruckender. Denn trotz häufig begrenzter finanzieller Mittel und knapper personeller Ressourcen wurden herausragende Lösungen für einen sehr aktuellen Bedarf realisiert.

Identifizieren Sie bei den Bewerbungen für den Otto Heinemann Preis auch Spezifika?

Bei den Einreichungen für den Otto Heinemann Preis fiel auf, dass sich besonders Unternehmen aus systemrelevanten Branchen beworben haben, vor allem aus dem Gesundheits- und Sozialbereich. Und dass, obwohl sie derzeit sehr stark eingebunden sind und außergewöhnliche Belastungen meistern. Deshalb kann es gar nicht genug geschätzt werden, dass diese Arbeitgeber trotz der großen aktuellen Herausforderungen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege vorbildlich ermöglichen.

Digitalisierung war bereits vor der Corona-Krise ein Thema, das auch in der Pflege diskutiert wurde. Hat die Thematik in den letzten Monaten noch einmal – wie in vielen anderen (Berufs)Feldern auch – an Dynamik gewinnen können? An welcher Stelle?

Wie schon gesagt, hat sich die Digitalisierung in der Pflege weiter fortgesetzt. Bestimmt haben auch die Vorgaben zum Infektionsschutz wie Social Distancing und Kontaktbeschränkungen dazu maßgeblich beigetragen. Viele Beratungsgespräche im Umfeld der Pflege finden heute digital statt, auch die Pflegeberatung selbst kann teilweise schon aus der Ferne durchgeführt werden. Darüber hinaus sind Pflegedienste zunehmend mit digitalen Endgeräten ausgestattet, dies vereinfacht die Dokumentation.

Doch, und das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, hat sich in der Ausnahmesituation besonders gezeigt, dass vor allem der Mensch im Vordergrund steht. Ohne die Pflegekräfte, die in der Corona-Pandemie Herausragendes leisten und dies auch davor getan haben, sind digitale Anwendungen nicht viel wert. Dies ist für mich eine der grundlegenden Erkenntnisse in diesem Jahr: Wir müssen die Menschen in der Pflege stärken und unterstützen, um eine gute Pflege zu gestalten. Solidarität ist das Gebot für uns alle, Digitalisierung dagegen ein sehr gutes Hilfsmittel. Diese Botschaft wollen mit der Berliner Pflegekonferenz transportieren.

Herr Rawiel, vielen Dank für das Gespräch. <<

Ausgabe 03 / 2020