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MEDWING-Umfrage: Die Corona-Krise verschärft den Pflegenotstand

16.03.2021 12:53
Pflegekräfte leiden seit der Corona-Krise unter noch stärkeren Belastungen. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage von Medwing, einer Recruiting- & HR-Plattform für im Gesundheitswesen Tätige, die im November 2020 durchgeführt wurde. Die Pflegekräfte wurden auch zu ihrer allgemeinen Zufriedenheit im Arbeitsalltag befragt.

Rund 8.500 Menschen jeden Alters, die aktuell im Gesundheitswesen arbeiten, haben laut Medwing an der Umfrage teilgenommen. Rund 80 Prozent davon sind weiblich und die meisten arbeiten als examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen oder examinierte Altenpfleger:innen. Zwei Drittel der Pflegekräfte sind dabei in Vollzeit angestellt. Jeweils knapp ein Drittel hat über 20 Jahre oder zwischen zwei und zehn Jahren Berufserfahrung.

Corona-Pandemie belastet Pflegekräfte – die Umfrageergebnisse

Für über die Hälfte des Pflegepersonals hat den Ergebnissen zufolge der Ausbruch des Coronavirus einen „eher negativen“ bis „sehr negativen“ Einfluss auf die Zufriedenheit bei der Arbeit.

Ein Viertel der Pflegekräfte schätzte die aktuelle Situation im Vergleich zur Lage vor Corona als „viel mehr belastend“ ein. Rund 17 Prozent empfindet die Pandemie-Lage als „gleich belastend“. Ein Großteil der übrigen Befragten wählte eine der Abstufungen dazwischen aus. Demnach wirkt sich die Corona-Krise nur für einen sehr geringen Teil des Pflegepersonals nicht auf Psyche und Arbeitsbedingungen aus.

Die bedeutendsten Faktoren für die höhere Arbeitsbelastung der Pflegekräfte sind demnach die Einhaltung strenger Hygienestandards sowie das Fernbleiben von Angehörigen der Patienten bzw. Bewohner – in diesen Punkten stimmten 53 Prozent und 41 Prozent der Befragten „völlig“ zu. Überbelegung in der Einrichtung oder kranke Arbeitskollegen scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Corona-Krise und Mehrbelastung verschärfen Pflegenotstand

Ganze 81 Prozent der Umfrage-Teilnehmer:innen stimmten zu, dass die Corona-Pandemie den Pflegenotstand verschärfen wird. „Angesichts des ohnehin oft belastenden Arbeitsalltags eine düstere Prognose der Menschen, die im Zentrum der Pflegekrise stehen”, so Medwing-Sprecherin Sophie Guggenberger.

Im Gegensatz dazu steht die Antwort auf die Frage „Hast du dieses Jahr aufgrund von Corona verstärkt Anerkennung durch dein Umfeld erfahren?“. 68 Prozent sagten nein. „Dies bestätigt, dass das Klatschen auf den Balkonen und die Lippenbekenntnisse der Politik im Empfinden der Pflegekräfte nur wenig Eindruck und Zuversicht hinterlassen haben”, kommentiert Sophie Guggenberger. Die mediale, politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für diejenigen, die maßgeblich an der Bewältigung der Pandemie beteiligt sind, scheint sich für das Pflegepersonal selbst nicht in zufriedenstellende Handlungskonsequenzen zu übersetzen.

Viele Pflegekräfte sind unzufrieden und suchen einen neuen Job

Bei der Frage „Bist du zufrieden mit deiner Berufswahl?“ war sich rund ein Drittel der Teilnehmer*innen unsicher und antwortete mit „teils, teils“. Der Anteil der Pflegekräfte, der bei seiner Berufswahl „sehr zufrieden“ oder „sehr unzufrieden“ angab, ist mit 16 beziehungsweise 15 Prozent beinahe gleich groß. Auch hier sind die Erfahrungen während der Corona-Pandemie, der Personalmangel sowie die Kritik an Politik und Arbeitgebern Einflussfaktoren.

Die Medwing-Umfrage ergab, dass 38 Prozent der Teilnehmer*innen „gelegentlich“ darüber nachdenken, ihre Arbeit im Gesundheitswesen aufzugeben. Weitere 19 Prozent tun dies „oft“. Sechs Prozent der Pflegekräfte sind so unzufrieden, dass sie „andauernd“ über einen Berufswechsel nachdenken.

So ist auch nicht verwunderlich, dass die Mehrheit des Pflegepersonals nach einer neuen beruflichen Tätigkeit sucht oder bereits gesucht hat. Ein Drittel ist aktuell aktiv auf der Suche. Jeweils ein Fünftel schaute sich in den letzten Monaten oder vor einem Jahr nach einem neuen Beruf um.

Pflege und Medizin – Missverständnisse und fehlende Anerkennung

Auch was die Zusammenarbeit von Pflege und Medizin betrifft, bestehe Verbesserungsbedarf. Ein Fünftel der Befragten antwortete diesbezüglich, mit der Situation „eher unzufrieden“ zu sein. Knapp die Hälfte zeigte sich mit „teils, teils“ unentschlossen. Nicht mal ein Viertel des Gesundheitspersonals ist mit der Zusammenarbeit von Pflegefachpersonen und Ärzten „eher zufrieden“ oder „sehr zufrieden“.

Die Befragten sehen als Gründe dafür vor allem die mangelnde Wertschätzung für den Beitrag des Pflegepersonals und das fehlende Verständnis für die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte. Unter den angebotenen Gründen wurde diesen Punkten neben „Kommunikationsprobleme“ am meisten zugestimmt.

Psychische Belastungen, Gefährdungen durch das hohe Infektionsrisiko sowie mangelnde Schutzausrüstung, fehlende Wertschätzung durch Politik und Arbeitgeber – die Pandemie hat viele Missstände in der Pflege offengelegt und verschärft. Genau wie das Coronavirus werden sie schlimmer, je länger man sie ignoriert. „Der längst überfällige Lerneffekt muss dazu führen, dass sich die Arbeits- und Lebenssituation von Pflegekräften maßgeblich verbessert. Die Reserven des Gesundheitssystems reichen nicht ewig”, so Sophie Guggenberger.

Umfragemethode: Online-Umfrage via SurveyMonkey
Umfragezeitraum: 15.11. bis 01.12.2020
Teilnehmer*innen insgesamt: 8.684