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progenerika: Gesetzgeber muss endlich für Rechtssicherheit sorgen

14.08.2008 14:21
In einem noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 15. Juli 2008 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Zivilgerichte für die Frage zuständig sind, ob eine gesetzliche Krankenkasse einen Arzneimittel-Rabattvertrag ordnungsgemäß ausgeschrieben hat (Az. BGH X ZB 17/08). Der BGH widersprach damit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts, das im April seinerseits die Sozialgerichtsbarkeit für zuständig erklärt hatte.

Hierzu erklärte Pro Generika-Geschäftsführer Peter Schmidt: „Da es nun amtlich ist, dass sich selbst die höchsten Gerichte dieses Landes nicht darüber einigen können, wer für Streitigkeiten aus Rabattverträgen zuständig
ist, muss der Gesetzgeber endlich handeln und für die dringend notwendige Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sorgen.“ Schmidt machte deutlich, dass es sich dabei um mehr als bloße Zuständigkeiten handelt. „In der Zivilgerichtsbarkeit gilt das Vergaberecht in vollem Umfang“, erklärte er. „Dagegen wird in Sozialgerichtsverfahren nur die die Einhaltung der materiellen Grundzüge des Vergaberechts überprüft. Dadurch kann es zu unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen des gleichen Sachverhaltes kommen.“

Derzeit schreibt die AOK Rabattverträge für das kommende Jahr aus, die Arzneimittel mit einem Umsatz im Milliarden-Bereich betreffen und damit erhebliche Auswirkungen auf die teilnehmenden Unternehmen haben. „Da nicht auszuschließen ist, dass es auch um diese Ausschreibung rechtlichte Auseinandersetzungen gibt, muss der Gesetzgeber schnellstmöglich und eindeutig den Rechtsweg festlegen. Kassen und Industrie brauchen  verlässliche Spielregeln.“ Beide Seiten hatten in der Vergangenheit die Politik bereits mehrfach zu einer gesetzlichen Klarstellung aufgerufen. „Der Gesetzgeber ist am Zuge und muss jetzt endlich handeln. Sonst dauert die Rechtsunsicherheit fort und wird erneut die Gerichte beschäftigen. Denn dann müsste eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abgewartet werden. Diesen erneuten Zeitverlust darf sich der Gesetzgeber nicht leisten!“

Nach Mitteilung der AOK vom 9. August 2008 hat die Kasse 64 Wirkstoffe zum Abschluss von einzelnen Rabattvereinbarungen europaweit ausgeschrieben. Die Kontrakte gelten zunächst für die Jahre 2009 und 2010. Die Verträge für die einzelnen Wirkstoffe sollen sich auf 5 Gebietslose richten. Im Ein-Jahreszeitraum Juli 2007 bis Juni 2008 beläuft sich der mit den 64 Substanzen zu Lasten der AOK generierte Umsatz zu Listenpreisen nach den Abgaben des pharmazeutischen Unternehmers auf 1,1 Mrd. Euro. Die in Verträgen verhandelten Preise liegen allerdings unter den offiziellen Preisen. Der Absatz der 64 Substanzen umfasst rund 97 Mio. Packungen. Nach der Verteilung der ausgeschriebenen Substanzen über die fünf Gebiete zeigen sich deutliche Unterschiede, so dass eine „gerechte“ Zuschlagsvergabe schwierig erscheint.

Laut IMS werden derzeit 36% des gesamten Arznei-Absatzes der AOK mit Wirkstoffen des Ausschreibungspakets erzielt (Ein-Jahreszeitraum Juli 2007 bis Juni 2008). Von den 64 Wirkstoffen der Ausschreibung waren 60 bereits in der zweiten AOK-Ausschreibung enthalten, von denen seinerzeit 43 mit einem Verbot durch die Vergabekammer belegt wurden. Zwei weitere Wirkstoffe (Felodipin, Ibuprofen) waren nur in der ersten Ausschreibungs-Tranche enthalten, und zwei Substanzen (Olanzapin, Risperidon) sind nun ganz neu hinzugekommen.

Die 22 Substanzen, die bereits in nationale AOK-Verträge eingebunden sind, erreichten gerade einmal 10% an der AOK-Gesamtmenge. Durch die neue Ausschreibung erhöht sich die Marktbedeutung auf 46%. Die neue Ausschreibung setze im Sinne der Marktbedeutung auf „große“ Wirkstoffe. Schon heute dominieren diese mit 63% das Rabattsegment der AOK, obwohl dahinter „nur“ regionale Verträge stehen.

Soweit Wirkstoffe aus dem neuen Ausschreibungspaket bereits in AOK-Rabattverträgen festgelegt sind, gehen sie mehrheitlich auf regionale Sortiments- oder Teilsortimentsverträge zurück. Im marktrelevanten generikafähigen Segment, das aus Generika und Originalpräparaten mit abgelaufenem Patent besteht,  stehen sie bereits für 40% der abgegebenen Packungen. Theoretisch sind somit noch weitere 60% für Rabattverträge zu erschließen.

Die Einteilung nach 5 Gebietslosen über die Zusammenfassung mehrerer regionaler AOK’en erfolgte laut AOK auf Basis der Anzahl der Versicherten, mit dem Ziel, annähernd gleich große Gebiete zu schaffen.  Innerhalb eines Gebiets wird jeweils nur ein Unternehmen für einen Wirkstoff den Zuschlag erhalten. Insgesamt sind damit 320 Zuschläge vorgesehen. Analysen von IMS zeigen, dass für das gesamte Wirkstoff-Paket wie auch einzelne Wirkstoffe die Marktanteile der Regionen nach Absatz deutlich schwanken. So unterscheiden sich das absatzstärkste und –schwächste Gebiet über alle Wirkstoffe hinweg immerhin jeweils um 11 Prozentpunkte. Ähnlich stellt sich die Diskrepanz auch bei einzelnen Wirkstoffen dar, etwa bei Omeprazol, wo auf Gebiet 5 ein Absatzanteil von 25% entfällt, auf Gebiet 3 hingegen nur von 15%. In der Konsequenz bedeutet dies für die bietenden Unternehmen, sich je nach Zuschlag auf Einbußen, oder aber auch auf Zuwächse einzustellen, je nachdem, ob man bereits über einen Sortimentsvertrag mit einer oder mehreren regionalen AOK verfügte. Viele Generikahersteller hatten bereits regionale Verträge über Substanzen aus dem Ausschreibungspaket und geraten von daher für neue Angebote in Zugzwang.

Bis 06. Oktober d.J. sind über 140 Hersteller gefordert, über ihre Bieterstrategie zu entscheiden. Außerdem steht noch eine rechtliche Bewertung der Ausschreibungsunterlagen aus.