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Nutzen schaffen für alle

24.04.2024 09:20
Das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention geförderte Projekt „Pflege 2030“ startete im Oktober 2022. Erforscht werden soll dabei, wie die Pflegequalität langfristig gesteigert und zeitgleich die Zufriedenheit des Personals erhöht werden kann. Partner des Projekts ist die Korian Deutschland GmbH mit ihrer Pflegeeinrichtung „Haus Curanum Karlsfeld“, in der in Echtzeit geforscht wird. Nun wurde ein Zwischenbericht des Modellprojekts veröffentlicht. „Monitor Pflege“ sprach mit Elisabeth Scharfenberg, Vorständin der Korian Stiftung, über die zentralen Ergebnisse sowie die langfristigen Ziele der „Pflege 2030“.

Frau Scharfenberg, die Korian Stiftung für Pflege und würdevolles Altern hat vor einem Jahr das Modell-Projekt „Pflege 2030“ gestartet. Was war Ihre Motivation für dieses Projekt?
Die Motivation für das Projekt „Pflege 2030“ liegt darin, ein zukunftsweisendes Beispiel für Pflegeeinrichtungen zu entwickeln. Insbesondere richtet sich unser Fokus auf die stationäre Langzeitpflege, wo ein erheblicher Handlungsbedarf besteht. Das Projekt nimmt die Pflegeeinrichtung Haus Curanum Karlsfeld im Landkreis Dachau als Modell, um eine Pflege zu gestalten, die sowohl quantitativ als auch qualitativ den Bedürfnissen entspricht. Durch die Integration digitaler Pflegetechnik und die Erforschung sowie Optimierung der Personalbemessung strebt das Projekt an, das Älterwerden in der stationären Pflege würdevoll zu gestalten und die Arbeitssituation für die Mitarbeitenden zu entlasten und zu verbessern.

Welche Ziele stehen im Fokus?

Das übergeordnete Ziel besteht darin, das gesamte Projekt im Hinblick auf die Pflegequalität umfassend zu evaluieren. Als Ergebnis sollen modulare Handreichungen erstellt werden, die anderen Pflegeeinrichtungen als Blaupause dienen können, um selbst eine entsprechende Umsetzung zu ermöglichen.

Was ist an Ihrem Modellprojekt besonders und unterscheidet sich von anderen Herangehensweisen und Projekten beim Thema Pflege?
Derzeit gibt viele Projekte, die sich mit der neuen Personalbemessung oder der Digitalisierung beschäftigen. Wir sind jedoch die ersten und einzigen, die über so einen langen Zeitraum in einer Modelleinrichtung digitale Innovationen erproben und dazu mit einem neuen Personalkonzept arbeiten, begleitet von der Wissenschaft – und das alles in Echtzeit. Das macht „Pflege 2030“ einzigartig. Wir sind sehr dankbar, dass das Bayerische Staatsministerium für
Gesundheit, Pflege und Prävention unser Projekt fördert und damit überhaupt erst möglich gemacht hat.

Im Dezember des vergangenen Jahres haben Sie ein erstes Zwischenfazit veröffentlicht. Was sind Ihrer Einschätzung nach die zentralen Ergebnisse?

Das erste Zwischenfazit des Projekts „Pflege 2030“ offenbart entscheidende Erkenntnisse aus der initialen Analyse- und Konzeptphase. In dieser ersten Etappe, die ein Jahr dauerte, stand die intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Meinungen der Belegschaft im Vordergrund. Interviews wurden mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen, darunter Pflege, Betreuung, Verwaltung, Technik und Küche, geführt. Das Ziel war es, subjektive Einschätzungen und Wünsche hinsichtlich der Integration neuer digitaler Technologien zu erfahren und die Ängste vor einer Veränderung des Personalschlüssels zu nehmen.

Was ist ebenfalls wichtig?
Für uns ist die Einbindung der Belegschaft und die offene Kommunikation ein zentraler Punkt und von immenser Bedeutung. Das heißt, es wird viel mit den Mitarbeitenden gesprochen, sie sollen teilhaben an dem Projekt – schließlich geht es um sie und ihre Arbeit. Das ist ein partizipativer Ansatz, mit einer überwältigend positiven Resonanz. Dadurch, dass die Mitarbeitenden in den Prozess eingebunden werden, konnten zum Beispiel auch Bedenken bezüglich des neuen Personalschlüssels ausgeräumt werden.

Außerdem wurden im Dialog während dieser Phase zwölf Technologien identifiziert, die in diesem Jahr prototypisch in der Projekteinrichtung eingesetzt und erprobt werden sollen. Dies markiert den Übergang zur zweiten Projektphase, der „Implementierung“, die gleichzeitig mit dem Ende des ersten Projektjahrs begann. Dafür wurden technische Voraussetzungen geschaffen, darunter die Anbindung an das Glasfasernetz und die Anpassung der WLAN-Ausleuchtung im gesamten Haus an die Vielzahl der Technologien, die eine Internetanbindung benötigen.

Wo liegt der Fokus der beiden kommenden Förderjahre?

Mit dem Aufbau der technischen Grundlagen geht die Rekrutierung und Ausbildung zusätzlicher Pflege- und Pflegeassistenzkräfte einher. Die kommenden beiden Förderjahre konzentrieren sich nun auf die Integration neuer Organisationsstrukturen und -prozesse, die Einführung und Integration verschiedener Technologien in die Arbeitsabläufe sowie eine abschließende Bewertung anhand von Erhebungsdaten, die im Projektverlauf zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt wurden.

Und natürlich werden alle Ergebnisse genutzt, um an einzelnen Stellschrauben zu drehen und Methoden zu optimieren. Unser Ziel ist es, ein Exempel zu statuieren und zu zeigen: So kann es gehen, so ist Pflege zukunftsfähig. In diesem Prozess ist uns übrigens jeder Stolperstein willkommen. Das gibt uns die Möglichkeit, diese aus dem Weg zu räumen. Jedes Problem, das wir identifizieren und lösen, muss von anderen Pflegeeinrichtungen nicht mehr angepackt werden.

Welchen Stellenwert nehmen digitale Pflege-Unterstützungsprogramme oder Pflege-Apps in Ihrem Projekt ein? Sind sie ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Pflege der Zukunft?

Auf jeden Fall spielen digitale Hilfsmittel eine wichtige Rolle in der Pflegearbeit. Das wissen alle in der Branche, doch was tut sich da wirklich? Oft hapert es schon am WLAN. Und wenn es kein Internet gibt, kann man nicht mit Apps arbeiten, die zum Beispiel die Pflegedokumentation erleichtern. Die Pflege muss sich digital aufstellen. Schon allein, weil es bis 2030 eine Versorgungslücke von über 14.000 Vollzeitkräften in der ambulanten und in der stationären Altenpflege sogar von fast 50.000 Fachkräften geben wird. Die Babyboomer sind auf dem Weg in die Rente.

Die Pflegearbeit kann also auch durch digitale Hilfsmittel attraktiver und dazu erleichtert werden. Es müssen die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden – und das machen wir gerade im Haus Curanum Karlsfeld.

Das Modellprojekt wird von Professor Heinz Rothgang von der Universität Bremen mit seinem Team sowie dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen wissenschaftlich begleitet. Findet am Projektende eine wissenschaftliche Evaluation statt, die dann auch veröffentlicht wird?

Genau das ist das Ziel: Nicht nur am Ende zu evaluieren, sondern auch zwischendrin. Das ist wichtig, damit wir an den Stellschrauben nachjustieren können.
Und es wird am Ende von „Pflege 2030“ eine modulare Handreichung geben, die für alle zugänglich gemacht wird und ermöglicht, dass andere Pflegeeinrichtungen dem Projekt „Pflege 2030“ folgen können.

Vom Modell in die reale Versorgung: Was versprechen Sie sich konkret von Ihrem Projekt für die reale Versorgungssituation? Wie kann man es schaffen, dass wichtige Erkenntnisse, die Sie mit „Pflege 2030“ gewinnen, auch großflächig in der Versorgung ankommen und andere Institutionen sowie Pflegeheime von Ihren Erfahrungen profitieren können?
Im Grunde ist es doch ganz klar: Wir bieten mit all den Dingen, die wir im Haus Curanum Karlsfeld umsetzen, das beste Beispiel dafür, wie ein Change-Prozess innerhalb einer stationären Pflegeeinrichtung umgesetzt werden kann. Wir leben vor und dokumentieren, was alles gemacht wurde, sowohl auf technischer wie auch personeller Ebene.

Natürlich ist so ein Change-Prozess nicht einfach, aber wenn man eine neue Organisationsstruktur aufbauen will, kann man unsere Handreichung nutzen und sehen, wie es gehen kann. Und selbstverständlich sind wir auch während der Projektlaufzeit und auch nach „Pflege 2030“ für Gespräche offen. Kommunikation und Transparenz sind uns hier sehr wichtig, denn unser Ziel ist, dass alle profitieren können.  

Frau Scharfenberg, vielen Dank
für das Gespräch.