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Katheter-gestützte Aortenklappen-Eingriffe (TAVI): Für immer mehr Patienten die bessere Option als chirurgischer Klappenersatz – DGK-Qualitätsoffensive für Zentren und Anwender

15.01.2015 13:46
„Der offene chirurgische Klappenersatz stellt nach wie vor den Goldstandard in der Behandlung der Aortenstenose (AS) dar. Häufig leiden die Patienten jedoch an Komorbiditäten oder sind in einem schlechten Allgemeinzustand, sodass sie den Belastungen eines chirurgischen Eingriffs nicht gewachsen sind“, sagt Prof. Dr. Christian W. Hamm (Gießen), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. „Für diese Patienten stellt die kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI) eine gute Option dar, die AS zu behandeln und damit sowohl die Überlebenszeit zu verlängern als auch die Lebensqualität zu verbessern.“ Im Oktober 2014 hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ein Positionspapier zum Thema TAVI publiziert1, in dem Qualitätskriterien für die Durchführung des Verfahrens definiert sind. Prof. Hamm: „Dieses Papier hat vor allem die Sicherung der Versorgungsqualität bei steigendem klinischem Bedarf zum Ziel.“

Die AS ist eine fortschreitende und lebensbedrohliche Erkrankung, die unbehandelt bei etwa der Hälfte der Patienten innerhalb von zwei Jahren zum Tod führt. Therapie der Wahl bei der höhergradigen symptomatischen AS ist der Ersatz der Aortenklappe, wofür drei Methoden zur Verfügung stehen: der offene chirurgischer Aortenklappen-Ersatz, die transfemorale kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI) und die transkapikale TAVI.

Länger leben durch TAVI

Dass die kathetergestütze Aortenklappen-Implantation zunehmend zur Anwendung kommt, hat gute Gründe. Denn immer mehr Daten belegen den Nutzen des innovativen Verfahrens. „Dass die TAVI für inoperable Patienten mit Aortenstenose einen Gewinn an Lebenszeit bringt, zeigen etwa die 5-Jahresdaten der PARTNER-Studie.2 In dieser Studie wurde die TAVI bei Patienten, die so krank waren, dass ein chirurgischer Eingriff mit einem zu hohen Risiko verbunden gewesen wäre, mit konservativem Vorgehen vergleichen“, so DGK-Präsident Prof. Hamm. „Die Patienten waren zu Studienbeginn im Mittel 83 Jahre alt. Angesichts des Alters und Schwere der Erkrankung überrascht es nicht, dass die meisten Studienteilnehmer fünf Jahre nach Studienbeginn bereits verstorben sind. Trotzdem lässt sich ein signifikanter Überlebensvorteil für die TAVI-Patienten nachweisen. So leben von den TAVI-Patienten nach fünf Jahren noch 28,2 Prozent, während bei konservativer Therapie nur noch 6,4 Prozent am Leben sind.“

Auch bei operationsfähigen Hochrisikopatienten erwies sich anderen Untersuchungen zufolge die TAVI hinsichtlich harter klinischer Endpunkte im Vergleich zur offenen Operation als mindestens ebenbürtig. Inzwischen mehrt sich die Evidenz, dass auch weniger kranke und durchaus operationsfähige Patienten von dieser Methode profitieren können.

Differenzierte Betrachtung der Methoden

Interessante Einsichten liefern auch Daten, die das AQUA-Institut (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen) im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen externen Qualitätssicherung zu allen Aortenklappen-Operationen in Deutschland erhebt. Dadurch wird die reale Versorgungssituation für diese Eingriffsart widergespiegelt.

Im Jahr 2013 wurden insgesamt 20.262 isolierte Aortenklappen-Operationen durchgeführt, davon entfielen auf den offenen chirurgischen Ansatz 9.853, auf die transfemorale TAVI 7.602 und auf die transapikale TAVI 2.807 Eingriffe. „Da die Patientenkollektive für die drei Operationsmethoden sehr unterschiedlich sind, lassen sich bezüglich der Behandlungsergebnisse nur eingeschränkt direkte Vergleiche anstellen“, so Prof. Hamm. „So waren die Patienten, die einem chirurgischen Klappenersatz unterzogen worden waren, im Durchschnitt jünger und gesünder als Patienten, die eine TAVI erhalten hatten. Darüber hinaus wiesen die TAVI-Patienten ein deutlich höheres Risiko auf. Neben diesen Unterschieden ergaben sich im Detail auch bei den Komorbiditäten der drei Patientensegmente erhebliche Unterschiede. Wie daraus erwartet werden kann, ergeben sich auch für die patientenrelevanten Ergebnisse deutliche Unterschiede.“ Die nicht risikoadjustierte Krankenhaussterblichkeit beträgt für die offene Chirurgie 2,8 Prozent, die transfemorale TAVI 4,7 Prozent und die transapikale TAVI 8,4 Prozent.

Aufgrund des sehr unterschiedlichen Risikoprofils der Patientensegmente hat das AQUA-Institut ein Modell für die Risikoadjustierung bei isolierter Aortenklappen-Operation entwickelt, so dass für jeden Patienten unter Berücksichtigung seines persönlichen Risikoprofils die individuelle Wahrscheinlichkeit für die Krankenhaus-Sterblichkeit ermittelt werden kann. Demnach beträgt die risikoadjustierte Krankenhaus-Sterblichkeit für den chirurgischen Klappenersatz 3,2 Prozent, für die transfemorale TAVI 6,1 Prozent und für die transapikale TAVI 6,8 Prozent.

Es zeigte sich allerdings, dass die tatsächliche Mortalität von der prognostizierten abweicht.“ So entsprechen prognostizierte und tastsächliche Sterblichkeitsraten bei offen chirurgischem Klappenersatz einander relativ genau (2,8 vs. 3,2 Prozent), bei der transfemoralen TAVI liegt die tatsächliche Mortalitätsrate jedoch deutlich unter der prognostizierten (4,7 vs. 6,1 Prozent), während sich bei transapikalen Vorgehen die Situation umkehrt (8,4 vs. 6,8 Prozent). Prof. Hamm: „Diese Analyse macht deutlich, dass die bisher geübte Praxis, die beiden kathetergestützten Verfahren gemeinsam zu betrachten, aufgegeben werden muss. Es bleibt fest zuhalten, dass in der derzeitigen Versorgungsrealität Deutschlands die transfemorale kathetergestützte Aortenklappen-implantation sehr gute Ergebnisse erzielt, wenn das individuelle Risiko des Patienten berücksichtigt wird.“

Indikationserweiterung, wenn Nutzen für Patienten mit mittlerem Risiko nachgewiesen ist

Das TAVI-Positionspapier der DGK habe einiges an Diskussionen verursacht, so Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck (Hamburg), Präsident-Elect der DGK. „So wurde kommentiert, wir würden abweichende Standpunkte zu Studien und medizinischen Leitlinien vertreten und eine Ausweitung der TAVI-Behandlung auf Patienten mit mittlerem Risiko andenken. Die DGK stellt nochmals klar, dass es kein Abrücken von den Leitlinien gibt.“

Das Positionspapier weise lediglich auf die aktuelle Studienlage hin, betont Prof. Kuck. „So hat sich herausgestellt, dass in die CoreValve-Studie3, die eigentlich für Patienten mit hohem Operationsrisiko vorgesehen war, hauptsächlich Patienten mit mittlerem Risiko, gemessen anhand des EuroScores bzw. des STS-Scores, eingeschlossen wurden. Dabei zeigte sich hinsichtlich des wohl härtesten Endpunktes, der Mortalität, ein hoch signifikanter Vorteil für die TAVI. Darüber hinaus laufen derzeit große prospektive randomisierte Studien wie SURTAVI und PARTNER II, in denen TAVI und Operation bei Patienten mit mittlerem Risiko verglichen werden. Sollten diese Studien die Überlegenheit der TAVI-Behandlung zeigen, werden wir das Positionspapier updaten müssen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist in meinen Augen hoch.“

Gute Haltbarkeit

Dem Einwand, dass es noch keine validen Ergebnisse bezüglich der Haltbarkeit der Klappenprothesen gibt, sei entgegenzuhalten, dass inzwischen die 5-Jahresdaten der PARTNER-B-Studie vorliegen, so Prof. Kuck: „Demnach ist der Druckgradient über die Aortenklappe nach TAVI-Eingriffen im direkten Vergleich zur chirurgisch implantierten Klappe geringer und die Aortenklappen-Öffnungsfläche größer. Darüber hinaus werden die Klappenmodelle und Implantationsprozeduren ständig weiterentwickelt, sodass Komplikationsraten sukzessive zurückgehen und auch eine längere Haltbarkeit zu erwarten ist.“

Vertragliche Kooperation mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie

Therapieentscheidungen für Patienten mit hochgradiger, symptomatischer Aortenklappenstenose, unabhängig von der aufnehmenden Fachabteilung, sollten an einem TAVI-Zentrum stets gemeinsam im Herz-Team, in dessen Zentrum sowohl Kardiologen als auch Herzchirurgen stehen, getroffen werden, betont Prof. Kuck: „Wir betonen in unserem Positionspapier, dass an einen TAVI Zentrum nicht unbedingt eine herzchirurgische Fachabteilung vorhanden sein muss. In solchen Fällen muss eine vertragliche Kooperation mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie nachgewiesen werden. Dies gründet unter anderem in der Tatsache, dass die Rate schwerwiegender Komplikationen, die bei TAVI-Eingriffen ein sofortiges Eingreifen des Herzchirurgen erfordern, derzeit bei rund ein Prozent liegt und der Trend laufend weiter nach unten geht.“ Daten des AQUA-Instituts aus dem Jahr 2013 haben darüber hinaus gezeigt, dass die Mortalität bei TAVI-Behandlung in Zentren mit Fachabteilung für Herzchirurgie und ohne entsprechende Abteilung – aber mit Beteiligung von kooperierenden Herzchirurgen bei TAVI-Eingriffen – nicht unterschiedlich war.

Zertifizierung von Zentren

Zur Sicherung der Indikations-, Prozess- und Ergebnisqualität muss ein TAVI-Zentrum nach Auffassung der DGK personelle, technische, strukturelle und organisatorische Anforderungen erfüllen. Damit soll die umfassende und multidisziplinäre Versorgung innerhalb eines interdisziplinären Herz-Teams sichergestellt werden. Im Zentrum dieses Teams stehen laut DGK-Positionspapier Kardiologen und Herzchirurgen mit jeweils ausreichender Erfahrung in der Durchführung der TAVI-Prozedur (>50 TAVI-Prozeduren/Jahr/Zentrum und =25 TAVI-Prozeduren/Jahr/Operateur) bzw. in der Beherrschung möglicher Komplikationen. Der ideale Ort für die Durchführung einer TAVI-Implantation ist ein Hybrid-Katheterlabor/Operationssaal, in dem im Falle einer Komplikation, die einen herzchirurgischen Eingriff erfordert, sofort die Operation erfolgen kann. Ist vor Ort kein Hybridlabor vorhanden, können TAVI-Prozeduren unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem Herzkatheterlabor durchgeführt werden. Wenn im Falle einer Komplikation eine Operation unmittelbar erfolgen muss, muss das Herzkatheterlabor für den herzchirurgischen Eingriff vollständig ausgestattet sein. Prof. Kuck: „Aufgrund des hohen Anforderungsprofils für das TAVI-Zentrum und die TAVI-Untersucher wird die DGK anhand der vorgestellten Kriterien für beide eine Zertifizierung durchführen.“