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„Pflege ist eine komplexe Aufgabe“

10.10.2017 15:39
Anfang des Monats April 2017 fiel der Startschuss für das neue Department „Pflegewissenschaft“ der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum. Von Präsidentin Prof. Dr. Anne Friedrichs Ende März 2017 die Ernennungsurkunde erhalten, freut sich Gründungsdekan Prof. Dr. Markus Zimmermann, hsg-Professor für pflegerische Versorgungsforschung, über die neugeschaffenen Rahmenbedingungen, die hochschulische Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen eröffnen. Innovative Studiengänge und eine steigende Studierendenzahl sollen den Rahmen füllen, denn es gelte, die Pflege als Wirkungsfaktor bekannt zu machen.

>> Herr Professor Zimmermann, warum braucht es ein Department „Pflegewissenschaft“ an der hsg?
Mit der Entscheidung, ein neues Department „Pflegewissenschaft“ an der hsg zu gründen, verbinden sich Hoffnung und Erwartungen, für eine der größten Berufsgruppen in Deutschland innovative hochschulische Bildungsformate anzubieten. Eine eigene Organisationseinheit „Pflegewissenschaft“ soll diese Absicht unterstreichen und ermöglicht schnellere Entscheidungen auf dem Weg dorthin. Das Department ist Teil einer Wachstumsstrategie der Hochschule und fühlt sich der Herausforderung verpflichtet, wissenschaftliche Erkenntnisse in den Pflegebereich zu übertragen; aber auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu entwickeln, die zu einer verbesserten Pflege- und Gesundheitsversorgung beitragen sollen.

Was steht im Fokus? Grundständige Studiengänge oder weiterbildende, für bereits beruflich Qualifizierte?
Neben dem grundständigen Bachelor-Studiengang Pflege ist im Wintersemester 2017/2018 der Bachelor-Studiengang ‚Evidenzbasierung pflegerischen Handelns‘ für bereits beruflich qualifizierte Pflegende in dem Department gestartet. Neben diesen beiden Studienprogrammen ist die Entwicklung weiterer hochschulischer Qualifizierungsangebote das vordringliche Ziel des neuen Departments. Hierzu zählen zunächst neue Angebote in den Aufgaben Hygiene- und Qualitätsmanagement und der Durchführung von klinischen Studien.
Weiterhin sind Studienangebote für erweiterte pflegerische Praxis auf Masterniveau (Advanced nursing practice-ANP) angedacht und zwar sowohl als konsekutive wie auch weiterbildende Masterstudiengänge. Diese Programme sollen spätestens 2020 starten. Auch niederschwellige, hochschulische Weiterbildungsangebote wie Zertifikatskurse werden das Angebot zukünftig erweitern.

Sie haben mit dem Department viel vor. Wo fangen Sie jetzt an, was hat für Sie Priorität?
Neben dem strukturellen Aufbau und Personalaufwuchs diskutieren wir aktuell im Department die Gesamtstrategie für die Entwicklung der genannten Studienprogramme; aber auch der Forschung. Indem wir Master-Studiengänge entwickeln und etablieren wird es noch dringlicher, die Pflegeversorgungsforschung mit den hochschulischen Bildungsangeboten zu verzahnen. Wir möchten gerne mehr darüber wissen, ob durch die Kompetenzen unserer Absolventinnen und Absolventen der Anspruch unseres Hochschulleitbildes eingelöst wird, zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung beitragen zu können.

Wieso tut sich Deutschland bei der Akademisierung der Pflege so schwer?
Deutschland stand immer schon für seine duale Ausbildung auf einem hohen Niveau. Das hat lange Zeit dazu geführt, Entwicklungen im Ausland weniger zu beachten. Heute ist es ein Beitrittskriterium zur EU, dass ein Land eine akademische Pflegeausbildung vorhält. Für Deutschland galt hierbei paradoxerweise ein Bestandschutz. Pflege ist heute eine extrem komplexe Aufgabe, die vielfältige Kompetenzen der Fachlichkeit, der Beratung und Kommunikation, des interdisziplinären Handelns und des Wissenstransfers erfordert. Demgegenüber wird immer noch vielfach die Auffassung vertreten, „Pflegen kann jede und jeder“. Dagegen sprechen vielfache Nachweise, dass sowohl der Anteil von Pflegenden mit einem Hochschulabschluss als auch eine zahlenmäßig positive Betreuungsrelation Pflegende-Patienten die pflegerische Versorgung und sogar das Überleben der Patienten verbessern. Das zeigt, dass Pflege nicht nur ein Kostenfaktor, sondern ein Wirkungsfaktor ist. Wir fühlen uns verpflichtet, diese Erkenntnisse zu vertiefen und bekannt zu machen.

Herr Professor Zimmermann, vielen Dank für das Gespräch. <<
Das Interview führte MoPf-Redakteurin Kerstin Müller.

Ausgabe 04 / 2017