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„Wir brauchen eine Kehrtwende“

10.10.2017 15:59
Franz Wagner heißt der neue Präsident des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR). Seit 1999 ist er Bundesgeschäftsführer des DBfK in Berlin und bekleidete seit 2006 das Amt des Vizepräsidenten des Deutschen Pflegerates. Wagner hat Andreas Westerfellhaus nach dessen achtjähriger Amtszeit abgelöst. „Monitor Pflege“ hat seine Wahl zum Anlass genommen, ihn zu fragen, welche Schwerpunkte er in seiner Amtsperiode setzen wird.

>> Herr Wagner, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Präsidenten des Deutschen Pflegerats. Welche Schwerpunkte werden Sie in Ihrer Amtszeit für die professionell Pflegenden setzen?
Wir brauchen eine Kehrtwende in der Frage, wie wir in unserer Gesellschaft mit den professionell Pflegenden umgehen. Diese Wende einzuleiten wird einer der wichtigsten Schwerpunkte meiner Präsidentschaft sein. Die Politik muss die Profession Pflege viel ernster nehmen als sie dies in der Vergangenheit getan hat.

Das heißt dann aber auch dicke Bretter zu bohren. Hört die Politik auf die professionell Pflegenden?
Die Politik kennt die schlechten Rahmenbedingungen für die professionell Pflegenden. Umfassende nachhaltige sowie konkrete Lösungen fehlen jedoch. Auch deshalb ist bei den beruflich Pflegenden von positiven Änderungen bislang kaum etwas zu spüren. Dabei sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, in deren Hände die heutige und die Pflege der Zukunft liegen. Das vergisst die Politik leider viel zu häufig. Und dies obwohl wir nicht müde werden, als Deutscher Pflegerat immer wieder darauf hinzuweisen. Beispielsweise müsste bereits während des Gesetzgebungsverfahrens die Frage geklärt werden, wer die darin versprochenen Leistungen erbringen soll.

Können Sie dies näher ausführen?
Die neuen Pflegegrade zum Beispiel sind ein Meilenstein für eine bessere Pflege. Allerdings wirkt dieses Instrument bislang nur bei der Begutachtung der verbliebenen Fähigkeiten eines Pflegebedürftigen, aber noch nicht bei seiner pflegerischen Versorgung. Die jeweils spezielle Art von Leistung muss erst noch entwickelt werden. Das dafür notwendige Personal muss gefunden oder in seiner Qualifikation neu geschult werden. Insofern ist bei einigen Reformen der letzten Legislaturperiode vieles noch im Fluss.

Sie fordern, dass man den professionell Pflegenden mehr zuhört. Ist die Bundespflegekammer dafür der richtige Schritt?
Ja, ohne jeden Zweifel ist die Bundespflegekammer das. Generell hat die Interessensvertretung der Berufsangehörigen der Pflege bundesweit an Gewicht gewonnen und wird in den kommenden Jahren durch die Pflegekammern auf Landes- und auf Bundesebene noch einflussreicher werden. Die jetzt vom Deutschen Pflegerat zusammen mit der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz auf den Weg gebrachte Bundespflegekammer wird als starke Interessenvertretung aller Pflegefachpersonen einen bedeutenden Meilenstein setzen. Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg wird es dann nicht mehr geben.

Die Bundestagswahlen liegen hinter uns. Was erwartet der Deutsche Pflegerat von der neuen Bundesregierung?
Zunächst einmal hoffen wir auf eine rasche Regierungsbildung, bei der die Dynamik des Themas Pflege und die dabei gegebenen Versprechen der Politik aus der letzten Wahlkampfphase aufgriffen werden. Für eine gute pflegerische Versorgung müssen seitens der Politik die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Vier Dinge sind dabei entscheidend.

Und die wären?
Die bereits beschlossene Ausbildungsreform muss schnell durch die notwendige Ausbildungs- und Prüfungsverordnung praktikabel gemacht werden. Zweitens: Wir brauchen ein Sofortprogramm für mehr Pflegepersonal und ein Bemessungsverfahren, das zu bundesweit einheitlichen Mindestzahlen bei Pflegekräften in Kliniken und in Pflegeeinrichtungen führt. Drittens: Wir brauchen eine wesentliche Verbesserung der Löhne der professionell Pflegenden, vor allem in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Viertens: Die nächste Bundesregierung muss, um dies nochmals zu betonen, die Profession Pflege viel ernster nehmen als sie dies bisher getan hat. Die professionell Pflegenden müssen mit am Tisch sitzen, wenn es um ihre Belange geht. Hierfür trägt die neue Bundesregierung eine hohe Verantwortung, an deren Umsetzung sie sich messen lassen muss.

Herr Wagner, vielen Dank für das Gespräch. <<

Ausgabe 04 / 2017