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Lebensqualität messen

21.01.2017 16:20
„Die ,Weisse Liste‘ hat den Betrieb der Pflegedienstsuche, der Pflegeheimsuche und des Pflegeplaners im Internet bis auf Weiteres ausgesetzt.“ Mit diesen Zeilen wird der Nutzer auf der Webseite der „Weissen Liste“ überrascht und im Folgenden darüber aufgeklärt, dass der „Weissen Liste“ seit dem 01. Januar 2017 keine Qualitätsinformationen über Pflegeanbieter (Transparenzberichte) mehr zur Verfügung stehen. Ein nützliches Angebot mit „spürbarem Mehrwert“ zu erstellen, sei unter diesen Voraussetzungen nicht mehr möglich, denn die Pflegenoten, so Referent Dr. Stefan Etgeton von der Bertelsmann Stiftung in seinem Vortrag auf dem Deutschen Pflegetag 2017, seien wenig aussagekräftig, wenn es um die Bewertung der Pflege- , aber auch der Lebensqualität in Pflegeeinrichtungen gehe. So schickt sich die „Weisse Liste“ an, einen Datenpool aufzubauen, der eine feingranulare Suche nach einer möglichst passgenauen Pflegeeinrichtung ermöglicht.
>> Um einen Beitrag zur aktuellen Überarbeitung der Pflegenoten durch den Qualitätsausschuss zu leisten, präsentierte Etgeton Reformvorschläge, bei denen die Nutzerorientierung im Vordergrund steht, denn diese – so Etgeton – laufe Gefahr, zu kurz zu kommen. Auf der Basis der drei Thesen
1. zwischen Pflegeanbietern gibt es Qualitätsunterschiede, die für die Auswahl relevant, aber bislang kaum sichtbar sind,
2. über die gesundheitsbezogene Pflegequalität hinaus ist die Lebensqualität der Pflegebedürftigen wichtig und
3. das Personal von Pflegeanbietern ist ein entscheidender Qualitätsfaktor
hat die „Weisse Liste“ das „Online-first“-Prinzip in den Fokus gerückt, weil man damit dem Nutzer am besten gerecht werden könne.

Gut 1.000 Nutzer des Pflegemoduls „Weisse Liste“ beantworteten laut Referent auf dem Portal Fragen nach Informationsbedarf, -art und -verfügbarkeit in Sachen Pflege. „Ganz oben steht da der Aspekt Würde und Respekt. Eine ganz wichtige Dimension der Lebensqualität. Aber danach kommt dann gleich schon die Priorisierung der fachlichen Pflegequalität und die nächsten drei Punkte betreffen die personalbezogenen Kriterien“, fasste Etgeton die Ergebnisse kurz zusammen und begründete: „Das hat uns darin bestärkt, dass wir auf Personal und Lebensqualität besonderen Wert legen.“ Zudem zeige sich ein Ungleichgewicht zwischen dem Informationsbedarf und dem Informationsangebot, was den Handlungsbedarf in der Pflegetransparenz der Public Reportings noch einmal deutlich mache. „Da muss sich was ändern, wir müssen da besser werden“, sprach‘s und präsentierte einen Prototypen für die Pflegesuche im Netz, die die Besichtigung des Heimes vor Ort vor- oder nachbereitend unterstützen will.

„Wie könnte ein Instrument aussehen, das die Entscheidungsfindung begleitet?“

Mehrere Schritte führen den User zu einem Suchergebnis, das anhand der eingegebenen Parameter den Wünschen und Neigungen des Pflegebedürftigen und nicht zuletzt auch den seiner Angehörigen am besten abbildet. Dass zu Beginn immer die Beratung stehen sollte, darauf macht der erste Step des Suchprogrammes aufmerksam und zeigt die bei vielen noch unbekannte Beratungsinfrastruktur der Pflegestützpunkte auf.
Danach geht es darum, den passenden Pflegeplan und das Pflegesetting zu bestimmen. Im vierten Schritt wird die Suche lokal begrenzt, bevor darüber hinaus mit einem Assistenten eine explizite Bestimmung der Entfernungen zu Wohnort von Pflegebedürftigem oder seiner Angehörigen wie auch die Festlegung von privatem Zuzahlungslimit oder die Spezialisierung (z.B. Demenz) angeklickt werden kann.

Strukturinformationen der Einrichtung, die die Lebensqualität abbilden, hebt Stefan Etgeton in der Folge besonders hervor. Feingranulare Erfassungen, angefangen bei der möglichen Haltung eines Haustieres, über Kochmöglichkeiten bis zur hin Religionspräferenz:  „Lebensqualität macht sich fest an harten Fakten, die ich aber dann auch präsentieren muss“, forderte er.

Art und Herkunft der Daten

Für die Erstauswahl einer Pflegeeinrichtung besonders wichtig sind der Befragung nach, so Etgeton: der Preis und das Erfahrungswissen aller Beteiligten, der Pflegebedürftigen selbst, sowie Angehöriger und Mitarbeiter. Diese müsse ein neues Qualitäts- und Public Reporting-System auf jeden Fall abfragen; sei es in einer strukturierten Befragung oder in einem offenen System über das Internet, resümiert der Referent.

Auch die Mitarbeiterqualifikation sowie der Pflegeschlüssel sind Themen, die die Menschen bewegen und die nach Aussage Etgetons kommuniziert und transparent gemacht werden sollen. In Bezug auf den Pflegeschlüssel schlägt die Bertelsmann Stiftung zudem vor, dass über eine externe Prüfung durch den MDK oder die Heimaufsicht auch die reale Personalbesetzung untersucht und daraufhin ausgewiesen wird, ob der verhandelte Pflegeschlüssel über- oder unterschritten wird. Dies wird grafisch für die Nutzer dann mit einem Daumen hoch- oder -runter-Symbol dargestellt. „Das ist eine Logik, die man gleich auf den ersten Blick erfassen kann und die gleiche Logik würden wir dann auch für die Pflegequalität vorschlagen“, beschrieb Etgeton den Plan der Bertelsmann Stiftung für diesen Aspekt, der, wie er selbst sagte, zahlreiche Dimensionen habe. Diese würden jedoch, das zeige die Befragung, von den Nutzern im Detail nicht wahrgenommen. „Wichtig für ihre Auswahlentscheidung ist, ob die Qualität eher überdurchschnittlich oder unauffällig ist oder ob es Warnungen gibt, die  man beachten muss.

Dabei geht die Stiftung davon aus, beim Thema Pflegequalität auf unterschiedliche Informationsquellen zu treffen. Etgeton zählte auf: Zum einen das System der Wingenfeld Ergebnisqualität, das derzeit im Qualitätsausschuss bearbeitet wird,  die externen Prüfungen durch den MDK und „einige Bundesländer sind dazu übergegangen die Berichte der Heimaufsicht zu veröffentlichen. Das wäre eine dritte Informationsquelle.“ Der bisher nicht vorhandene Teil der für dieses Portal benötigten Daten, kann nach Meinung Etgetons nur über eine verpflichtende Abgabe durch die Betreiber erfolgen. „Rein freiwillig wird das nicht gehen.“

Gerade für Pflegeheimbetreiber sieht Etgeton in einem zentralen Datenportal einen großen Gewinn: „Wenn es gelänge eine zentrale Plattform für die Eingabe der Qualitätsdaten zu finden, dann wäre der Aufwand für die Einrichtungen überschaubar. In Moment ist es ja der Fall, dass sie unterschiedlichen Datendiensten Informationen geben.“  Eine zentrale Datenbank einer neutralen Stelle, in der ohne spezielle Software online die Angaben gemacht werden können, ist hier der Vorschlag der Bertelsmann Stiftung. Und dabei sei das Benchmarking inklusive.

Etgeton fasste die sechs Schlussfolgerungen, die die Stiftung aus diesem Prototypen zieht noch einmal plakativ zusammen:
• Online-First-Prinzip
• Einführung eines verpflichtenden Strukturberichts mit Merkmalen, die Lebensqualität beeinflussen können
• Personalbezogene Indikatoren erheben und veröffentlichen
• Darstellung der Pflegequalität: Warnen und Empfehlen ist relevanter als gradueller Vergleich
• Erschließung und Veröffentlichung des Erfahrungswissens von an der Pflege beteiligten
• Open-Data-Prinzip und effizientes Datenmanagement. <<

Ausgabe 02 / 2017