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Differenzierte Interessenlage

10.10.2017 13:40
Wenn am 15. Oktober in Niedersachsen gewählt wird, steht auch das Thema Pflegekammer zur Debatte. CDU und FDP kündigen in ihren Wahlprogrammen an, den bisher eingeschlagenen Weg bezüglich der Pflegekammer zu verlassen. "Monitor Pflege" hat Vetreter von CDU und SPD zu Ihrer Haltung zum Thema befragt.

>> Die Ansichten bezüglich der Einrichtung von Landespflegekammern sind über die Bundesländer hinweg sehr heterogen. Während CDU-Kollegen sich in Berlin oder Nordrhein-Westfalen dafür stark machen, spricht sich die niedersächsische CDU dagegen aus. Wie kommt es zu dieser Heterogenität?
Der Meinungsbildungsprozess in den Ländern zum Thema Pflegekammer folgt keinem einheitlichen Muster entlang von Partei-grenzen. In Niedersachsen wird bereits sehr lange über das Für und Wider einer Pflegekammer diskutiert. Dabei gibt es Befürworter und Kritiker einer Pflegekammer in allen Parteien. Die CDU-Landtagsfraktion hat sich Anfang des Jahres 2015 nach einem langen Abwägungsprozess gegen die Errichtung einer Pflegekammer in Niedersachsen ausgesprochen. Ausschlaggebend für diese Positionierung war vor allem die mit der Verkammerung verbundene Zwangsbeitragspflicht für die abhängig in der Pflege Beschäftigten, ohne dass für diese damit Vorteile in ihrer Berufsausübung verbunden wären, wie sie die in Kammern organisierten Freiberufler haben.

In Ihrem Regierungsprogramm ist zu lesen: „Zwangsmitgliedschaften und hohe Bußgelder bei Nichteintritt werden wir definitiv abschaffen.“ Wenn sich die Institution Landespflegekammer nicht aus den Beiträgen der Mitglieder finanziert, kann man ihr das Attribut „unabhängig“ nicht zusprechen. Was bemängeln Sie an der Organisationsform Landespflegekammer?
Eine Pflegekammer mit Zwangsmitgliedschaft für abhängig Beschäftigte ist nach meiner Auffassung nicht mit dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG zu vereinbaren, das die Arbeitnehmerinteressen schützt. Der Pflegekammer fehlt das Prinzip der Freiwilligkeit, wie es für eine Gewerkschaft gilt. Man muss das Recht haben, ihr beizutreten oder es eben auch nicht zu tun. Und man muss sie wieder verlassen können. Für die wesentlichen Interessen der beruflich Pflegenden kann die Pflegekammer nichts tun, nämlich für eine angemessene Bezahlung und für gute Arbeitsbedingungen einzutreten. Eine Verkammerung abhängig Beschäftigter ist einfach systemfremd.

Die Willensbekundung der niedersächsischen Pflegefachpersonen Anfang des Jahres 2013 fiel mit 67 Prozent Zustimmung zu einer Landespflegekammer im Rahmen der repräsentativen Befragung positiv aus. Räumen Sie mit Ihrer Position dem Ergebnis den nötigen Stellenwert ein?
Ja, denn aus der Befragung geht auch hervor, dass unter den beruflich Pflegenden in Niedersachsen die Haltung zur Pflegekammer wesentlich dadurch geprägt wird, ob sie mit einer Pflichtmitgliedschaft verbunden ist oder nicht. 47 Prozent der Pflegekräfte lehnten bei der Befragung eine Pflichtmitgliedschaft mit Beitragspflicht ab, lediglich 42 Prozent äußerten sich positiv. Bei der Akzeptanzfrage zur Beitragshöhe lehnten dann 24 Prozent der Befragten jede Beitragszahlung ab, 35 Prozent waren bereit, eine monatliche Beitragshöhe von maximal 5 bis 9 Euro zu akzeptieren. Nur insgesamt 28 Prozent waren bereit, auch Beiträge von 10 bis 14 Euro (19 Prozent) oder darüber (9 Prozent) zu zahlen. Diese Teilergebnisse der Befragung, die die kritische Haltung der beruflich Pflegenden zu einer Pflichtmitgliedschaft deutlich machen, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben.

Wenn die Pflegekammer keine Option ist, welche Form der Organisation sehen Sie für die professionell Pflegenden als sinnvoll an?
Die kontrovers geführte Diskussion um die Errichtung einer Pflegekammer hat deutlich gemacht, dass die Interessenlage der Pflegekräfte in Niedersachsen in dieser Frage eben sehr differenziert und nicht gleich gelagert ist. So gibt es bereits eine Vielzahl an Organisationen beruflich Pflegender in Niedersachsen, die im Niedersächsischen Pflegerat zusammengeschlossen sind. Allerdings nicht alle, da die Interessen der Verbände eben zu unterschiedlich sind. Wenn die beruflich Pflegenden in Niedersachsen mehrheitlich an einer neuen Organisationsform interessiert sind, könnte die im April 2017 in Bayern errichtete Vereinigung der Pflegenden möglicherweise ein Modell sein. Sie kommt ohne Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträge aus.

Sie beabsichtigen, eine Imagekampagne für Pflegeberufe zu starten, falls die CDU in Niedersachsen das Mandat zur Regierungsbildung erhält. Mit welchen Kriterien kann man – vor allem junge Menschen – für diesen Ausbildungsberuf begeistern?
Mit dem im Juli 2017 verabschiedeten Pflegeberufegesetz, das die bisherigen getrennten Ausbildungen in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammenführt, hat der Bund die Ausbildung zur Pflegefachkraft modernisiert, attraktiver gemacht und den Berufsbereich der Pflege insgesamt aufgewertet. Künftig wird der Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen erleichtert. Der Beruf bietet nicht nur die Chance, auf eine abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Aufgabe, sondern auch auf einen sicheren Arbeitsplatz. Mit der Imagekampagne wird es vor allem darum gehen, den engagierten Pflegerinnen und Pflegern die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen. Gleichzeitig geht es darum, junge Menschen für die Pflege zu interessieren und ihnen eine berufliche Perspektive in der Pflege aufzuzeigen. <<

Ausgabe 04 / 2017