Ein Thema, das jeden betreffen kann
>> „Ein Pflegefall in der Familie tritt oft spontan auf. Man kann sich darauf wenig vorbereiten“, sagt Erdmute Thalmann, Managerin Diversity & Work Life bei Vodafone Deutschland. Dass das Unternehmen auf solche Ereignisse reagieren kann, macht die Nominierung für den Otto Heinemann Preis 2017 deutlich. Dieser wird am 9. November zum dritten Mal an Unternehmen unterschiedlicher Größe verliehen. Die Kategorien sind gestaffelt in Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern (Vollzeitkräfte), Unternehmen mit Mitarbeitern bis 5.000 Mitarbeiter und Unternehmen ab 5.001 Mitarbeitern.
Jury-Mitglied Petra Schott-Pfeifer registriert, dass in den letzten Jahren im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr viel Bewegung geraten ist. „Viele Arbeitgeber haben erkannt, dass der demografische Wandel sowie der Fachkräftemangel es erforderlich machen, alle verfügbaren Instrumente der Mitarbeitergewinnung und -bindung zu nutzen.“ Es wachse zudem das Bewusstsein, dass eine pflege- und familienbewusste Unternehmenspolitik einen Imagegewinn und eine Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber zur Folge habe, erklärt die Vizepräsidentin des Amtsgerichtes Offenbach am Main, Schott-Pfeifer, die es wissen muss, da sie nicht nur Jurorin, sondern selbst auch Preisträgerin des Otto Heinemann Preises ist. Im Jahr 2016 erhielt das Amtsgericht Offenbach die Auszeichnung, weil es individuelle Arbeitszeitmodelle anbietet, ausgebildete Pflegeguides bereitstellt oder auch Tele-Arbeit ermöglicht.
Familienbewusstsein als zunhemend wichtige Kategorie
Die Größe des Unternehmens ist nach Schott-Pfeifers Beobachtung für die Implementation pflege- und familienbewusster Angebote nicht entscheidend. Entscheidend sei die Verankerung des Themas in der Leitkultur des Unternehmens, weiß sie und rennt bei Thalmann damit offene Türen ein. Vodafone ist seit 2008 Träger des Siegels „audit berufundfamilie“, für das regelmäßig überprüft wird, wie familienbewusst und lebensphasengerecht die Personalpolitik ist.
Vergeben wird das Zertifikat von der berufundfamilie Service GmbH, die Akteure bei der Umsetzung einer nachhaltigen Personalpolitik begleitet. Geschäftsführer Oliver Schmitz weist darauf hin, „dass Pflege auf der personalpolitischen Agenda weiter nach oben gerutscht ist“. Für Arbeitnehmer spiele es eine zunehmend wichtige Rolle, ob der Arbeitgeber familienbewusst sei oder nicht.
Die Relevanz werde durch unterschiedliche Studien untermauert: „Laut Continental-Untersuchung sagen 58 % der Beschäftigten und 66 % der Studierenden, die Vereinbarkeit sei das wichtigste Ziel in ihrem Berufsleben“, erläutert Schmitz, der auch in der Jury sitzt. Unternehmen könnten gerade hier punkten, denn „beim Gehalt und beim Standort hat man in der Regel keine großen Handlungsmöglichkeiten“, meint er und betont, dass Arbeitgeber die Verantwortung für das Thema nicht an den Staat oder betroffene Familien abgeben sollten.
Verantwortung übernehmen.
Win-win-Situation
Dass Engagement in dieser Form notwendig ist, davon ist auch Richterin Schott-Pfeifer überzeugt. „Von vielen Arbeitgebern werden die gesetzgeberischen Maßnahmen als unzureichend angesehen. Dies zeigen auch die dahingehenden Einschätzungen der Unternehmen, die sich für den Otto Heinemann Preis beworben haben“, berichtet die Jurorin und macht eine Suche nach individuellen und für das Unternehmen bzw. die Beschäftigten maßgeschneiderten Lösungen aus. „So ist Pflege auch nicht länger ein Tabuthema. Allerdings ist es auch noch nicht bei allen Arbeitgebern eine Selbstverständlichkeit“, analysiert sie. Bei den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken scheint die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege jedoch bereits gelebt zu werden, worauf die Nominierung für den diesjährigen Preis schließen lässt. „Wir leisten es uns, gemeinsam mit dem Mitarbeiter maßgeschneiderte Lösungen für die spezielle Pflegesituation zu entwickeln“, erklärt Dr. Marion Friers, Geschäftsführung Personal, Pflege & Kommunikation. Bestandteil des Beruf&Pflege-Konzeptes des Unternehmens ist beispielsweise ein beratendes Familienbüro sowie Kooperationen mit Selbsthilfeorganisationen oder ambulanten Pflegediensten. Auch einen Pflegeguide hat man ausgebildet.
„Beschäftigte, die bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützt werden, fehlen seltener, arbeiten motivierter und damit letztlich produktiver und fühlen sich dem Unternehmen mehr verbunden. Das senkt wiederum die Fluktuation“, fasst Jürgen Hohnl, Geschäftsführer IKK e. V. und Mitglied der Jury, zusammen. In diesem Sinne macht Schott-Pfeifer auch einen klaren Attraktivitätsanstieg der Auszeichnung Otto Heinemann Preis aus; besonders bei Unternehmen, „welche in direkter Konkurrenz zu den Preisgekrönten oder Nominierten stehen“. Vodafone will mit seiner pflegebewussten Personalpoltik die Pflege aus dem Nischendasein befreien und „den Mitarbeiter individuell in die Lage versetzen, sein Leben zu gestalten, auch bei Eintritt eines Pflegefalles. Denn das Thema kann jeden treffen“, weiß Thalmann. <<