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Mehrheitswillen umsetzen

10.10.2017 13:25
Wenn am 15. Oktober in Niedersachsen gewählt wird, steht auch das Thema Pflegekammer zur Debatte. CDU und FDP kündigen in ihren Wahlprogrammen an, den bisher eingeschlagenen Weg bezüglich der Pflegekammer zu verlassen. "Monitor Pflege" hat Vetreter von CDU und SPD zu Ihrer Haltung zum Thema befragt.

>> Welche Gründe sprechen für die SPD Niedersachsen für die Institution Landespflegekammer?
Wir wollen die Pflegekammer vor allem für die Beschäftigten in der Pflege. Unser zentrales Ziel ist es, dass die größte Berufsgruppe der Pflege auf Augenhöhe agieren kann. Sie soll eine starke Stimme, eine durchsetzungsfähige Lobby und eine starke Interessenvertretung bekommen. Die Pflegekammer sorgt für die nötige Anerkennung der Pflegeberufe in der Öffentlichkeit und stärkt so deren Position im Kampf um eine verbesserte Pflegesituation in Niedersachsen.

Die CDU spricht sich in ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl am 15. Oktober gegen eine Zwangsmitgliedschaft aus. Ist ohne eine reine Finanzierung durch die Mitglieder, die die Unabhängigkeit sicherstellen würde, Ihrer Meinung nach die Institution Pflegekammer überhaupt effektiv?
Die SPD steht Verkammerungen immer kritisch gegenüber, weil dieses auch zu einer Herauslösung aus der solidarischen Altersversorgung führt. Dies ist bei einer Arbeitnehmerkammer, wie der Pflegekammer, aber nicht der Fall. Verfassungsrechtlich sieht die Verkammerung eine Pflichtmitgliedschaft aller potenziellen Mitglieder vor. Die Aussagen der CDU sind rechtlich unzulässig und daher unredlich. Die Frage der Einführung einer Pflegekammer ist im Übrigen durch die alte CDU-FDP-Regierung ausgelöst worden. Die SPDhat allerdings immer deutlich gemacht, dass sie den Mehrheitswillen der Betroffenen umsetzen wird.


Eine Pflegekammer als sechste Heilberufe-Kammer ist mit ihren über 70.000 Mitgliedern in Niedersachsen mit Abstand die größte Kammer. Diese hohe Mitgliederzahl wird sich am Ende durchsetzen und positive Effekte haben. Es ist schon die Frage zu stellen: Wieso ist es selbstverständlich, dass der angestellte Arzt oder Zahnarzt Mitglied seiner berufsständischen Selbstverwaltung ist und über die Kammer bei allen wichtigen Entscheidungen mit am Tisch sitzt, die angestellte Krankenschwester oder Altenpflegerin, ohne die der Mediziner seine Arbeit einstellen könnte, aber vor der Tür bleibt, wenn Weichenstellungen für ihren Beruf vorgenommen werden? Dafür gibt es keine Begründung, außer „das war schon immer so“. Die Pflegekammer ist sicherlich kein Allheilmittel, wird aber zu Veränderungen führen.

Im „Thesenpapier Sozialpolitik“ formulieren Sie – vor dem Hintergrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung – die Absicht, Pflege flächendeckend sicherstellen zu wollen. Welche Maßnahmen haben Sie hier konkret im Blick?
Die SPD-Landesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode damit begonnen, innovative Projekte in der Pflege sicherzustellen, z.B. im Bereich Wohnen und Verstärkung der ambulanten Pflege, insbesondere bei der Tagespflege. Diese Maßnahmen wurden durch das PSG III auf der Bundesebene flankiert. Niedersachsen hatte schon zuvor mit der Umsetzung begonnen und Modelle mit dem letzten Haushalt eingeführt. Für neue ambulante Pflegeformen im ländlichen Bereich wurden 6 Millionen Euro vorgesehen.

Eine SPD-Landesregierung wird Pflege flächendeckend sicherstellen und innovative Projekte weiterhin unterstützen. Pflegebedürftige und hochbetagte Menschen sollen möglichst lange weitgehend selbstständig im eigenen Zuhause und in einem altersgerechten Umfeld leben können. Nach wie vor ist die Pflege nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt. Gesellschaft, Politik, Leistungserbringer und Pflegekassen verfolgen individuelle Ziele oder Verbandsinteressen. Um die Herausforderungen der Pflege zu meistern, wird die SPD eine offensive und breite Diskussion anstoßen, die Themen wie Alter, Solidarität, Aufgaben des Einzelnen, der Familie, der Gesellschaft, Generationengerechtigkeit und die kulturelle Frage des Zusammenlebens als gemeinsame Aufgabe definiert.

Die durch das Pflegestärkungsgesetz III eingeführten Bewertungsgrade müssen besser in bestehende Strukturen eingefügt und eine flächendeckende Beratung gewährleistet werden. Des Weiteren werden wir die Trennung zwischen ambulant und stationär im Pflegeversicherungsrecht auflösen. Diese verhindert die Umsetzung innovativer, flächendeckender und umfassender Versorgung. Gerade im ländlich geprägten Niedersachsen scheitern innovative Versorgungsformen an starren Vorgaben einer solchen Sektorentrennung. Ziel der SPD ist es, individuelle Konzepte für einzelne Regionen mit einem Mix aus ambulanter häuslicher, teilstationärer und stationärer Versorgung zu entwickeln. Dazu wird es eine Bundesratsinitiative geben.

Wie kann man – vor allem junge Menschen – für einen Ausbildungsberuf in der Pflege begeistern?
Um mehr junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen, hat die SPD-geführte Landesregierung gesetzlich geregelt, dass Auszubildende in der Altenpflege kein Schulgeld zahlen. Das Personal in den Heimen hat sich von 75.691 Pflegekräfte im Jahr 2011 auf 85.225 in 2015 erhöht. Das Land hat die Ausgaben für die Pflege gesteigert – von 157 Millionen Euro im Jahr 2012 auf rund 187 Millionen Euro 2017. Mehr denn je werden junge Menschen gebraucht, die einen Beruf im Gesundheits- und Sozialwesen ergreifen wollen. Wir werden deshalb auch prüfen, ob sich die schulische Ausbildung in den sozialen- und Gesundheitsfachberufen zu einer dualen Ausbildung weiterentwickeln lässt: Sie garantiert die gute Verbindung von Theorie und Praxis. Dabei sind Auszubildende von Anfang an Teil der aktuellen täglichen Abläufe des Ausbildungsbetriebs. Sie sollen nicht zusätzlich durch ein Schulgeld belastet werden, sondern als angehende Fachkräfte ein Entgelt erhalten. <<

Ausgabe 04 / 2017