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Pflege kommunal gestalten

10.10.2017 12:05
„Pflege muss für uns alle mehr sein als Pflegeversicherung. Es muss darum gehen, dass alte Menschen am sozialen Leben teilhaben können, dass sie nicht abgeschnitten und isoliert sind von wirtschaftlichen und kulturellen Angeboten“, sagte Dr. Gerd Landsberg anlässlich der Verleihung des Marie Simon Pflegpreises auf der Berliner Pflegekonferenz 2016. Als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), der den Marie Simon Pflegepreis in Kooperation mit spectrumK vergibt, nimmt Landsberg im folgenden Stellung zur Rolle der Kommunen in der pflegerischen Versorgung. Als Voraussetzung einer deratigen Struktur ist für ihn eine moderne Altenpolitik in der Kommune in Kombination mit großem gemeinschaftlichem Engagement unerlässlich. Am 9. November steht Landsberg bei der Verleihung des Marie Simon Preises 2017 wieder auf der Bühne.
>> Nirgendwo zeigen sich die demografischen, sozialstrukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen so deutlich, wie in den Städten und Gemeinden, dort, wo die Menschen wohnen, arbeiten und zusammenleben. Hier werden die Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen nicht nur artikuliert, hier wird auch konkrete Abhilfe erwartet. Sie sind auch der Ort, an dem neue Wege erprobt und gegangen werden müssen, denn die Bevölkerung in Deutschland altert – doch dürfen Alter und Pflege nicht automatisch gleichgesetzt werden. Gleichwohl ist das höhere Alter von einem höheren Risiko der Pflegebedürftigkeit geprägt. Insofern wurde es ausdrücklich begrüßt, dass der 7. Altenbericht sich ausführlich mit der Rolle der Kommunen befasst hat.

Die Schlussfolgerungen müssen nun kritisch diskutiert werden. Der DStGB hat sich mit seinem Positionspapier zur kommunalen Senioren- und Pflegepolitik (siehe www.dstgb.de) und der Dokumentation „Lebensräume zum Älterwerden“ positioniert. Die Städte und Gemeinden sollten gemeinsam mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement vor Ort als „sorgende Gemeinschaften“ sich intensiv um die Belange älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit oder ohne Pflegebedarf kümmern.

Eine große Herausforderung liegt dabei in den zunehmenden Disparitäten der alternden Gesellschaft und zwischen den Regionen. Die Alterung ist mit einem mehr an Invidualisierung, Pluralisierung der Lebenswelten, mehr sozialen Unterschieden und mehr Menschen mit Migrationshintergrund verbunden, die sich oft noch Zugangsbarrieren bei den Dienstleistungen ausgesetzt sehen.

Strukturen verändern

Die derzeitigen Strukturen werden der Entwicklung nicht gerecht. So wie wir versuchen, in einem Kraftakt ein Kinder- und familienfreundliches Land zu werden, werden wir uns auf die alternde Gesellschaft vorbereiten müssen. Schon bei der Stadtplanung müssen die zukünftig erforderlichen häuslichen Versorgungsdienste, ambulante Pflegeeinrichtungen und ein vernetztes Hilfesystem im Sozialraum bedacht und berücksichtigt werden.

PSG III in der neuen Legislaturperiode nachbessern

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) sollte die Rolle der Kommunen für eine bessere und effektivere Pflegeinfrastruktur gestärkt werden. In der vorausgegangenen Bund-Länder-AG zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege waren hierzu konkrete Maßnahmen, wie z.B. die Möglichkeit zur Initiierung von Pflegestützpunkten oder die Erprobung eines ganzheitlichen Beratungsansatzes durch sogenannte „Modellkommunen Pflege“ sowie stärkere Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen, um die Pflegelandschaft vor Ort so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Menschen wirklich gerecht wird, verabredet worden. Bedauerlicherweise wurden diese im Gesetzgebungsverfahren eines Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III) nur marginal aufgegriffen und bleiben weit hinter den kommunalen Erwartungen und den auch in der Fachwelt geäußerten Erfordernissen zurück.

Insbesondere die überbürokratisierte Ausgestaltung der Modellvorhaben zur kommunalen Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Ausgestaltung engen jedweden eigenen Gestaltungsspielraum ein; die Umsetzung in der Praxis wird kaum sinnvoll möglich sein. In der neuen Legislaturperiode muss ein neuer Anlauf unternommen werden, die gesetzlichen Grundlagen für eine wirkungsvolle kommunale Pflegeplanung zu schaffen.

Gute Pflege hat ihren Preis

Qualitativ gute Pflege gibt es nicht zum Nulltarif. Mehr Pflegebedürftige bedeuten für die Kommunen auch höhere Kosten. Wenn die Zahlungen der Pflegeversicherung und das eigene Vermögen nicht ausreichen, muss die von den Kommunen getragene Hilfe zur Pflege einspringen. Deshalb muss darauf geachtet werden, dass die Leistungen aus der Pflegeversicherung mit der Kostenentwicklung Schritt halten, was unweigerlich weitere Beitragsanhebungen erforderlich macht, die mit einer Dynamisierung der Leistungen einhergehen. Notwendig ist zudem eine stärkere private Vorsorge bereits in jungen Jahren. <<

Autor
Dr. Gerd Landsberg hat Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn studiert und führt seit dem 1. Januar 1998 den kommunalen Spitzenverband des DStGB in Berlin.

Ausgabe 04 / 2017