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Vernetzung aller Akteure

10.10.2017 11:55
Der Full-Service-Dienstleister für öffentliche Auftraggeber im Gesundheitswesen, spectrumK, richtet in Kooperation mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) sowie den Dachverbänden der Betriebskrankenkassen und der Innungskrankenkassen die Berliner Pflegekonferenz in diesem Jahr zum vierten Mal aus. „Monitor Pflege“ hat spectrumK-Geschäftsführer Yves Rawiel im Vorfeld der Veranstaltung zu den Topthemen des interdisziplinären Dialogforums befragt.

>> Die Berliner Pflegekonferenz 2017 steht unter dem Motto „Aus der Praxis – für die Praxis“. Bislang fehlt es Pflege-Projekten zumeist an wissenschaftlicher Evidenz, die eine Umsetzung in die Regelversorgung rechtfertigen würde. Der Innovationsfonds und in dessen Rahmen geförderte „Leuchtturmprojekte“ in der Pflege stehen ebenfalls auf der Agenda der Konferenz und werden bezüglich ihrer Übertragbarkeit in die Regelversorgung diskutiert. Gibt es vielversprechende Aspiranten? Wie realistisch ist denn der Übertrag solcher Projekte in die Regelversorgung?

Aus unserer Sicht sind interessante Projekte ausgewählt worden, die eine realistische Chance haben, in die Regelversorgung übernommen zu werden. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Hecken, sieht die Größe der Projekte als entscheidendes Kriterium für die Umsetzbarkeit, daher wurden auch eher größere Projekte für die Förderung ausgewählt. Um entsprechende Aspiranten zu nennen, ist es allerdings noch zu früh. Da müssen wir erst die künftige Entwicklung abwarten.
Auf der Pflegekonferenz geben wir mit einem eigenen Fachforum einen Einblick in ausgewählte Projekte und laden alle Leser ein, sich selbst einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Haben Sie dabei auch den wachsenden Bereich der Digital-Health-Lösungen im Blick, die vom Modellversuch in die Regelversorgung übertragen werden könnten? Da schlummert eine Menge Potenzial, oder?

Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Wenn wir in andere Länder schauen, bspw. die Niederlande, sehen wir das auch bestätigt.
Insbesondere bei der digitalen Patientenakte sehe ich großes Potenzial für unser Gesundheitswesen. Versetzen Sie sich in die Lage der Patienten, sagen wir, einer 80-jährigen Dame, mit einer beginnenden Demenz, mehreren chronischen Erkrankungen. An der Versorgung beteiligt sind der Hausarzt, verschiedene Fachärzte, vielleicht ein ambulanter Pflegedienst, dazu kommen Krankenhausaufenthalte und möglicherweise überforderte Angehörige. Dass hier versorgungsrelevante Informationen nicht richtig transportiert werden und unter Umständen Medikamente verschrieben werden, die sich gegenseitig aufheben oder in ihren Nebenwirkungen negativ auf den Körper auswirken, ist aktuell vorprogrammiert. Die digitale Patientenakte könnte hier eine enorme Erleichterung für alle an der Pflege Beteiligten sein. Erste – positive – Erfahrungen wurden diesbezüglich bereits in einigen stationären Einrichtungen gemacht.

Das Jahr 2017 bringt viele Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen mit sich. PSG II, PSG III, Hilfsmittelversorgung, Medikationsplan, etc. Wo haben die Änderungen bisher bereits zu gewünschten Verbesserungen geführt? Wo hat sich noch kein Erfolg eingestellt?

Die Erhöhung der Leistungen durch den Gesetzgeber ist für die meisten Pflegebedürftigen und deren Angehörige eine Verbesserung. Entscheidend ist aber, dass das „Mehr an Leistungen“ auch von den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen personaltechnisch umgesetzt werden kann. Wir machen zurzeit in unseren Beratungen die Erfahrung, dass in einigen Regionen Hilfesuchende aufgrund von fehlenden Personalressourcen gar nicht die Möglichkeit haben, bestimmte Leistungen wie bspw. haushaltsnahe Dienstleistungen oder Pflegekurse im erforderlichen Maß in Anspruch zu nehmen. Auch die viertel- oder halbjährliche Überprüfung, ob die Pflege im ambulanten Bereich durch die Angehörigen sichergestellt ist, ist in der Praxis aktuell kaum leistbar. Hier sollte der Gesetzgeber nochmals nachbessern.

Der Fachkräftemangel ist derzeit ein Buzzwort. Für die Pflege gibt es unterschiedliche Prognosen von Bertelsmann, DIW & Co, die jedoch, abhängig von Pflegewahrscheinlichkeiten oder Lebenserwartung, ein gemeinsames Ergebnis haben: Der Bedarf steigt. Was können effektive Instrumente sein, um mittelfristig mehr Fachkräfte zu generieren oder muss man stärker an strukturelle Veränderungen denken?

Der Fachkräftemangel ist derzeit ein Buzzwort. Für die Pflege gibt es unterschiedliche Prognosen von Bertelsmann, DIW & Co, die jedoch, abhängig von Pflegewahrscheinlichkeiten oder Lebenserwartung, ein gemeinsames Ergebnis haben: Der Bedarf steigt. Was können effektive Instrumente sein, um mittelfristig mehr Fachkräfte zu generieren oder muss man stärker an strukturelle Veränderungen denken? dass sie sich nur mit konkreten Anfragen nach bedarfsgerechten Maßnahmen (z. B. Grundpflege, Medikationsgabe) beschäftigen müssen.

Gerade das Stichwort Pflegende Angehörige verdeutlicht, dass wir dem Fachkräftemangel nur effektiv begegnen können, wenn wirklich ALLE Akteure zusammenwirken. Durch unseren Wettbewerb zum „Otto Heinemann Preis für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ sehen wir, dass es bereits einige Unternehmen gibt, die die Notwendigkeit erkennen, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, wenn in der Familie Pflegefälle auftreten. Diese Beispiele müssen Schule machen und flächendeckend umgesetzt werden.

Ein Schwerpunktthema der Pflegekonferenz ist das Thema „Social Investment“. Hier ist der Markt in Bezug auf die Pflege noch überschaubar und der große Durchbruch lässt auf sich warten. Können Sie uns ein Best Practice nennen? Und: Wie viel Potenzial steckt in dieser Art des Geschäftsmodells?

Sie haben Recht, der Markt ist noch überschaubar. Es gibt einige Projekte, die sich noch in der Entwicklung befinden. Eine abschließende Bewertung über den möglichen Erfolg einzelner Projekte ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Ich möchte daher keines der Projekte in den Vordergrund stellen. Wir sind an den Ergebnissen natürlich stark interessiert, da wir diese in unsere Themen (u. a. der Pflegeberatung) gezielt einbinden können.

Wir sehen in diesem Geschäftsmodell die Chance, nachhaltig Erfolge zu erzielen und mit den Angehörigen und Pflegebedürftigen neue Wege im Bereich Pflege zu gehen. Zum Fachkräftemangel in den ambulanten und stationären Einrichtungen habe ich Ihnen meine Einschätzung ja bereits mitgeteilt.
Wir sind gespannt auf die unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen, von denen wir im Fachforum „Social Investment in der Pflege“ der Berliner Pflegekonferenz hören werden.

spectrumK ist Veranstalter der „Berliner Pflegekonferenz“ 2017. Welche Dienstleistungen und Produkte bietet das Unternehmen Kunden im Bereich der Pflege an?

Grundsätzlich sind wir für alle Themen in der Pflege Ansprechpartner, also von A – wie Antrag bis Z – wie Zahlung von Pflegeleistungen.

Unsere mehr als 700 Pflegeberater beraten im Namen der Pflegekassen Pflegebedürftige und deren Angehörige im häuslichen Umfeld. Der Vorteil daran ist, dass der Pflegeberater die Situation zu Hause kennen lernt und sehr zielgerichtete Empfehlungen geben kann. Dazu gehört auch, dass die Angehörigen wissen, wie gut gepflegt wird, wie man in Konfliktsituationen reagiert oder mit Demenzkranken umgeht. Die Pflegekurse geben hier Hilfestellung und Entlastung. Und dann bringt ein Pflegegrad leider viel Bürokratie mit sich. Im Rahmen unseres Pflegemanagements unterstützen wir Patienten, aber auch Pflegekassen und Pflegeberater, z.B. durch Stellungnahmen bei Widersprüchen oder Portallösungen für Pflegekassen.

Mit der Pflegekonferenz bieten wir eine Diskussionsplattform für die sehr unterschiedlichen, an der Pflege beteiligten Akteure. Denn wir sind überzeugt, dass wir nur im Austausch miteinander Fragestellungen der Pflege lösen können.


Herr Rawiel, vielen Dank für das Gespräch. <<

Ausgabe 04 / 2017