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Personaluntergrenzen: Auf die Ausgestaltung kommt es an

19.05.2017 08:59
Nachdem die Pflegepersonalbemessung in deutschen Krankenhäusern seit zwanzig Jahren heruntergefahren wurde und jetzt gravierende Versorgungsmängel auftreten, zieht die Bundesregierung die Reißleine. In einem Änderungsantrag zum „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten" werden Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen auf den Weg gebracht.

Nach der Expertenanhörung am 17. Mai im Gesundheitsausschuss weist der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) auf zentrale Sachverhalte hin, die konkret geregelt werden müssen, damit das erklärte Ziel des Gesetzes – bessere Pflege und wirksame Entlastung des Pflegepersonals – überhaupt erreicht werden können. „Der Einstieg in eine verbindliche Pflegepersonalbemessung für die Krankenhäuser ist damit gegeben und nach unserer Einschätzung unumkehrbar, auch wenn viele Kritiker das nicht wahrhaben wollen“, erklärt DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel.

„Anders ist der Abwärtstrend von Krankenhauspflege seit Einführung der DRG`s auch nicht mehr zu stoppen. Die Klinikleitungen haben viel zu lange falsche Prioritäten gesetzt und das Wohl ihrer Patienten, aber auch ihrer Beschäftigten sträflich missachtet. Jetzt muss ein Umdenken einsetzen – selbst da, wo bisher noch die Einsicht fehlt! Und um Schlupflöcher und Fehlanreize zu verhindern – schon jetzt sind Einrichtungen auf der phantasievollen Suche danach, wie die zu erwartenden Regelungen umgangen werden können – sind die Vorgaben so konkret wie nur möglich zu formulieren und jeweils zeitnahe Überprüfungen und Nachweispflichten vorzusehen. Der Aufwand dafür ist den Krankenhäusern durchaus zuzumuten“, so die DBfK-Expertin.

Nach den unbefriedigenden Erfahrungen mit bisherigen Pflegestellenförderprogrammen fordert der DBfK für die Ausgestaltung der Pflegepersonaluntergrenzen:

  • Die professionell Pflegenden müssen als die eigentlichen Experten konsequent einbezogen werden, auch in Entscheidungen.
  • Die Beschränkung auf „pflegesensitive Bereiche“ darf nur als erster Schritt gelten, dem eine Ausdehnung auf alle Pflegebereiche eines Krankenhauses folgen muss. Wo Kranke versorgt werden müssen, sind Bereiche immer „pflegesensitiv“. Den Krankenhäusern die Verantwortung für die Personaleinsatzgestaltung uneingeschränkt zu überlassen, hat zu den heutigen Problemen geführt, hier ist eine Änderung zwingend erforderlich.

 

  • Personaluntergrenzen sind das absolute Minimum und dürfen nicht zur Norm werden. Wer eine gute Pflege will, muss in der Pflegepersonalbemessung oberhalb der Untergrenzen agieren.

  • Es sind in Deutschland bisher keine echten Qualitätsindikatoren etabliert, die gute oder schlechte Pflege abbilden. Das ist zu entwickeln und in die Qualitätsberichterstattung der Krankenhäuser einzufügen. So wird eine Datenbasis aufgebaut, die für Pflegepersonalbemessung herangezogen werden kann.

  • Mögliche Fehlanreize müssen von vornherein mitbedacht und konsequent ausgeschaltet werden.
  • Es ist sicherzustellen, dass die Einhaltung der Personaluntergrenzen in definierten Bereichen nicht durch „Ausbluten“ anderer Bereiche erkauft wird. Sonst wäre das Ziel des Gesetzes verfehlt und die Gefährdung der Patienten keineswegs gebessert.
  • Es sind klare Vorgaben zu treffen über die Qualifikation des vorzuhaltenden Pflegepersonals, nämlich dreijährig ausgebildete Pflegefachpersonen. Sonst steht zu befürchten, dass die Fachkraftquote der Krankenhauspflege aus Kostengründen erheblich abgesenkt wird.

  • Nachweise über die gesetzeskonforme Verwendung der Geldmittel und die Einhaltung der Besetzungsvorgaben sind in überschaubaren Zeitintervallen zu gestalten. Durchschnittswerte über lange Zeiträume lösen die Probleme nicht und führen zu keiner spürbaren Entlastung beim Pflegepersonal.

  • Die Zweckbindung der zusätzlichen Geldmittel muss an strikte Nachweisverpflichtungen geknüpft werden, die wirksame Kontrollen ermöglichen. Bisher sind noch bei allen früheren Pflegestellenförderprogrammen erhebliche Geldsummen von der Pflege abgezweigt und in andere Bereiche verschoben worden.
  • Zu einer qualifizierten Personalplanung gehören konsequente Berücksichtigung von Fehlzeiten und Arbeitsspitzen, Einführung rechtskonformer Ausfallkonzepte und Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Das muss auch in den Krankenhäusern wieder gelten! Kurzfristiger Personalausfall ist ein normales Unternehmerrisiko und darf nicht als Ausnahmetatbestand mit der Folge des Aushebelns der Untergrenzen anerkannt werden.

  • Nach den Erfahrungen mit den Personalvorgaben des GBA für die Neonatologie sind diesmal die Übergangsregelungen kurz zu halten und straff umzusetzen. Sonst besteht erneut die Gefahr, dass Krankenhäuser die Verpflichtungen aussitzen in der Erwartung, sie im Ernstfall doch noch umgehen zu können.
  • Verstöße gegen die Pflegepersonaluntergrenzen sind zeitnah und empfindlich zu sanktionieren, ein „Durchmogeln“ ist inakzeptabel und darf nicht hingenommen werden.
  • Das Argument der Krankenhäuser, es gäbe keine qualifizierten BewerberInnen auf dem Arbeitsmarkt, kann nur vorläufig und sehr eingeschränkt gelten. Die Krankenhäuser haben durch ihre Personalpolitik der vergangenen Jahre maßgeblich dazu beigetragen, dass Pflegefachpersonen nach Ende der Ausbildung nicht in den Beruf einmünden, berufs- und belastungsbedingt erkranken oder in die Teilzeit bzw. aus dem Beruf flüchten. Die Kliniken werden sich anstrengen müssen, um als Arbeitgeber Vertrauen, Loyalität und Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen. Fachkräftepotenzial liegt in der Aufstockung bei Teilzeitkräften, dem Einstieg von PflegeschülerInnen im ausbildenden Unternehmen nach Abschluss der Ausbildung sowie der Werbung um Berufsaussteiger.
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