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Laumann: Pflegenoten gescheitert – mehr Transparenz für Verbraucher schaffen

03.02.2015 11:40
Positionspapier von Karl-Josef Laumann, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigter für Pflege.

>> Um gute Pflegequalität in Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten, sind regelmäßige und unangemeldete Qualitätsprüfungen und Kontrollen in Pflegeeinrichtungen richtig und wichtig. Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) leisten bei ihren Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen grundsätzlich gute Arbeit.
Allerdings ist es misslungen, die Prüfberichte des MDK in Schulnoten zu übertragen. Die veröffentlichten Noten auf Basis der Qualitätsprüfungen sind für die Verbraucher nicht aussagekräftig. Der Notendurchschnitt für alle rund 12.500 stationären Pflegeeinrichtungen liegt bei 1,3. Ein solches Benotungssystem wird von den Verbrauchern nicht ernst genommen, es verschleiert die differenzierte Wirklichkeit. Der Gesetzgeber hatte 2008 vorgesehen, die in den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität offen zu legen, damit sich jeder Verbraucher schnell einen Überblick verschaffen kann, welche Pflegeeinrichtungen gut sind und welche nicht.
Die Spitzenverbände der Pflegekassen verständigten sich mit den Pflegeeinrichtungsbetreibern, Sozialhilfeträgern und den kommunalen Spitzenverbänden auf ein System, dessen – vor dem Hintergrund bereits damals geäußerter Kritik – erforderliche Überarbeitung 2013 aber erst in einem Schiedsverfahren gelang.
Die so vereinbarten Pflegenoten führen jedoch weder zu Transparenz noch zu mehr Qualität in den Pflegeeinrichtungen, auch nicht nach der erfolgten Überarbeitung des Systems seit Anfang dieses Jahres.
Die Bürger werden durch die Noten bei der Wahl einer Pflegeeinrichtung nicht transparent informiert. Denn es wird bisher nicht unterschieden zwischen unabdingbaren Kernkriterien, die eine gute Pflegeeinrichtung auf jeden Fall erfüllen muss, und weniger wichtigen Faktoren. Wenn die falschen Medikamente verteilt werden, wiegt das derzeit grundsätzlich nicht schwerer, als wenn die Speisekarte schwer lesbar ist, weil sie zu klein gedruckt ist.
Bei den bisherigen MDK-Prüfungen wird – auch das ist Ergebnis des o.g. Verfahrens – weiter zu viel Wert auf die Dokumentation und Konzepte gelegt und – trotz Verbesserungen nach der Überarbeitung – noch zu wenig auf das, was tatsächlich an Pflege und Zuwendung beim Pflegebedürftigen ankommt. Pflegeeinrichtungen legen eigene „MDK-Ordner“ an, um die Antworten für die Prüfer mundgerecht vorzubereiten. Das sorgt für viel überflüssige Bürokratie. Pflegebedürftige werden zwar in einer Stichprobe nach ihrer Zufriedenheit befragt, die Ergebnisse fließen aber gar nicht in die Gesamtnote ein.
Die jetzige Situation, in der die Festlegung der Prüffragen den Verbänden der Pflege-Selbstverwaltung überlassen ist, führt im Ergebnis dazu, dass gegen das Votum der Trägerverbände aussagekräftige Bewertungen nicht zustande kommen. Ziel muss es daher sein, die Prüfkriterien und -fragen künftig auf Basis fachlich-wissenschaftlicher Kriterien und nicht durch Verhandlungen zu ermitteln.
Darüber hinaus: Der MDK und die Heimaufsichten auf Landesebene stimmen ihre jährlichen Prüfungen noch zu selten miteinander ab. Dabei prüfen sie in den Pflegeeinrichtungen oftmals das gleiche, aber teilweise mit verschiedenen Fragebögen. Solche Doppelprüfungen führen zu weiteren bürokratischen Belastungen der Pflegeeinrichtungen, die kaum Mehrwert bringen und Zeit kosten, welche dann für die Pflegebedürftigen fehlt. Die rechtlichen Grundlagen für eine bessere Kooperation sind vorhanden, werden aber in der Praxis nicht ausreichend genutzt.
Daraus ergibt sich politischer Handlungsbedarf Die Veröffentlichung der bisherigen Pflegenoten muss umgehend ausgesetzt werden, da sie keine hilfreichen Aussagen generieren und sogar irreführend sind. Wir brauchen messbare Kriterien, an denen sich die Qualität von Pflege und Betreuung festmachen und vergleichen lässt.
Diese Kriterien müssen eine fundierte wissenschaftliche Grundlage haben und dürfen nicht interessengeleitet sein. Die heutigen Paragraphen 112 bis 115 SGB XI müssen daher im Pflegestärkungsgesetz II so geändert werden, dass ein unabhängiges Expertengremium aus Wissenschaftlern geschaffen wird, das verbindlich für alle festlegt, wie die Ergebnisse der MDK-Prüfungen unverfälscht und in für die Verbraucher leicht verständlicher Form veröffentlicht werden. Das Gremium soll dem Stand der Wissenschaft entsprechende Prüfkriterien und ein aussagekräftiges Bewertungssystem festlegen – damit die Transparenzberichte endlich halten, was ihr Name verspricht. <<

Ausgabe 01 / 2015