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„Zu kompliziert und aufwendig“

08.08.2018 12:41
Einfache Vermittlung von Gesundheitsinformationen über ein Gesundheitsportal, die Einführung der elektronischen Patientenakte, eine verständliche Vermittlung von Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimitteln – eine Auswahl der Ziele, deren Umsetzung sich Martina Stamm-Fibich als Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für diese Legislaturperiode auf die Fahne geschrieben hat. Auch Heike Baehrens will als Pflegebeauftragte der SPD im Bund einiges bewegen, denn wie der aktuelle „Monitor Patientenberatung 2017“ der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) aufzeigt, gibt es einigen Optimierungsbedarf. Was es beispielsweise mit dem angestrebten „Entlastungsbudget“ in der Pflege oder dem Angebot „Healthdirect Australia“ auf sich hat, erklären Martina Stamm-Fibich und Heike Baehrens im Interview mit „Monitor Pflege“.

>> Frau Stamm-Fibich, Sie kritisieren, dass es laut des „Monitor Patientenberatung 2017“ häufig an einer verständlichen Kommunikation und Information mit und für Patienten mangelt. Sie fordern dahingehend einen besseren Zugang zu Gesundheitsinformationen. Wie können und müssen solche Maßnahmen Ihrer Meinung nach konkret aussehen?

M. Stamm-Fibich: Es stimmt, dass es häufig an einer verständlichen Kommunikation und Information mit und für Patienten mangelt. Mein Ziel ist, Patientinnen und Patienten die Kommunikation insbesondere mit Ärztinnen und Ärzten und Kassen auf Augenhöhe zu ermöglichen und ihnen so mehr Sicherheit gegenüber anderen Akteuren im Gesundheitswesen zu geben. Neben dem Dauerthema verständliche Kommunikation in der Arztpraxis ist für mich ein wichtiger Baustein ein nationales Gesundheitsportal, das Informationen für Patientinnen und Patienten leicht verständlich und zentral bündelt. Ein solches Portal ist bereits lange in der Diskussion und muss in dieser Legislaturperiode realisiert werden.

Im Gesundheitsausschuss haben wir bereits über die Anforderungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)  an ein solches Portal gesprochen. Dabei habe ich deutlich gemacht, dass aus meiner Sicht Verständlichkeit für Patientinnen und Patienten das A und O ist. Ich wünsche mir für das Portal laienverständliche Informationsaufbereitung und -präsentation. Von der Möglichkeit, dass Nutzerinnen und Nutzer die Einstellung „Leichte Sprache“ wählen können, rede ich hier bewusst nicht – diese Option sollte heute überhaupt kein Thema mehr sein. Aber Patientinnen und Patienten sind möglicherweise aufgeregt, haben Angst, stehen unter Medikamenteneinfluss oder haben Schmerzen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen, um neues Wissen zu sammeln. Deshalb ist es so wichtig, dass Gesundheitsinformationen so einfach wie möglich vermittelt werden.

Als internationales Vorbild erscheint mir das australische Gesundheitsportal „Healthdirect Australia“ am geeignetsten. Es ist klar strukturiert und verständlich. Zum Angebot gehören ein sehr präsenter Symptom-Checker, ein unkomplizierter Online-Navigator, um etwa Praxen oder Apotheken zu finden und eine 24-Stunden-Hotline zu Fragen rund um die Gesundheit. Das brauchen wir meiner Meinung nach auch in Deutschland, nicht zuletzt um „Doktor Google“ beizukommen.

Wie kann die Gesundheitskompetenz darüber hinaus gestärkt werden?

M. Stamm-Fibich: Als Patientenbeauftragte der SPD-Fraktion möchte ich auch die Einführung der elektronischen Patientenakte vorantreiben. Die elektronische Patientenakte sorgt für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Davon profitieren die Patientinnen und Patienten vor allem, wenn Ärztinnen und Ärzte schnell entscheiden müssen – das ist beispielsweise bei Notfällen regelmäßig so. Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens hinkt die Bundesrepublik aber hinterher. Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung muss an der Stelle aktiver werden, damit wir die Chancen der Digitalisierung gut nutzen können.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist, Patientinnen und Patienten verständlicher über Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten zu informieren. Durch meine Arbeit im Petitionsausschuss weiß ich, dass die Kennzeichnung von Arzneimitteln und die Information über ihre Wirkung immer wieder ein Problem ist. Ellenlange Beipackzettel werden häufig nicht gelesen. Insbesondere bei Dauermedikationen kann das gefährlich werden. Deutliche und leicht verständliche Kennzeichnungen auf der Verpackung können meiner Ansicht nach helfen.

au Baehrens, ein Schwerpunkt der Beratung, so weist der Bericht aus, sind Fragen zur Verhinderungspflege. Hier wird vor allem die komplizierte Berechnung der Geldleistung, wie auch die ungleiche Vergütung der die Pflege übernehmenden Personen bemängelt. Müsste man hier modifizieren?

H. Baehrens: Ja, das ist nötig, denn es hat sich gezeigt, dass die bestehenden Regelungen zu kompliziert und aufwendig für die Betroffenen sind. Deswegen haben wir uns vorgenommen, die bisherigen Leistungen für Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege und den Entlastungsbetrag in einem sogenannten Entlastungsbudget zu bündeln. Ein solches Budget soll den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen mehr Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Wenn wir diese Veränderung gesetzlich angehen, ist das eine Gelegenheit, die Unterschiede in der Vergütung noch einmal zu reflektieren. Allerdings bleibt durchaus nachvollziehbar, dass beim Einsatz von Fachkräften höhere Preise zu zahlen sind. Denn nur so können Dienstleister nach Tarif bezahlen und gut ausgebildetes Personal vorhalten.

Thematisiert wird von Seiten der Patienten auch oft die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Versorgungsleistungen und der pflegerischen Qualität bei den Pflegeinstitutionen.
Was versprechen Sie sich von der Pflegequalitätsprüfung für Pflegeheime und ambulante Dienste, die in den Jahren 2018 und 2019 vorbereitet und umgesetzt werden soll? Wie sollte diese beschaffen sein, damit Patienten und Angehörige eine fundierte Entscheidung treffen können?

H. Baehrens: Die bisherige Qualitätsbewertung war nicht differenziert genug und hatte zu wenig Informationsgehalt für Angehörige und Pflegebedürftige bei der Auswahl von Pflegeangeboten. Von der reformierten Pflegequalitätsprüfung erwarte ich, dass sie die für eine gute Qualität entscheidenden Kriterien in allgemeinverständlicher Form abbildet. Dabei geht es sowohl um die medizinisch-pflegerische Versorgung als auch um die soziale Betreuung, Aspekte rund um die Alltagsversorgung und die Lebensqualität von pflegebedürftigen Menschen. Es muss auch sichtbar werden, welche Heime und Pflegedienste sich durch gute Arbeitsbedingungen und ordentliche Bezahlung ihrer Pflegekräfte auszeichnen. Denn auch das ist wichtig für eine würdevolle Pflege.

Frau Stamm-Fibich, ist die Unabhängige Patientenberatung, die den Bericht veröffentlicht, gut aufgestellt oder sehen Sie hier auch Verbesserungspotenzial?

M. Stamm-Fibich: Die Qualität der Beratung der Unabhängigen Patientenberatung halte ich für sehr gut. Auch die UPD kann aber noch besser werden. Ich weiß, dass Zeitdruck in der Beratung ein Problem ist. Und gerade was Erreichbarkeit und Barrierefreiheit betrifft wünsche ich mir ein besseres Angebot. Das Angebot der Patientenberatung muss zudem in der Breite – auch offline – präsenter werden. Gesundheitsinformationen sollten online so aufbereitet und präsentiert werden, dass die Beratung im Zweifel gar nicht mehr in Anspruch genommen werden muss oder kürzer ausfallen kann und so mehr Zeit für individuellere Beratung auch in komplexeren Fällen vorhanden ist. Wie gesagt, das australische Angebot erscheint mir hier vorbildlich.

Frau Stamm-Fibich, Frau Baehrens, vielen Dank für das Gespräch. <<

Ausgabe 02 / 2018