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Mehr Verantwortung übertragen

29.03.2018 16:16
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen war sie Verhandlungsführerin für die SPD in der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“: Malu Dreyer, stellvertretende Vorsitzende der SPD und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, war es auch „persönlich ein ganz großes Anliegen, Verbesserungen zu erreichen“. Die Reaktionen der Branche auf den Koalitionsvertrag in Sachen Pflege sind erwartungsgemäß gemischt. Potenziale werden attestiert, die Leerstellen scheinen jedoch größer. Im Interview mit „Monitor Pflege“ zeigt die Ministerpräsidentin die Felder auf, in denen ihr Maßnahmen wichtig und auch gelungen erscheinen. Das große SPD-Thema „Bürgerversicherung“ gehört nicht dazu.

>> Frau Dreyer, der Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU für die 19. Legislaturperiode in Sachen Pflege steht. Welche Punkte waren in diesem Feld strittig bzw. wurden besonders kontrovers diskutiert?
Bei der Pflege war es der SPD und auch mir persönlich ein ganz großes Anliegen, Verbesserungen zu erreichen – für die Beschäftigten in der Pflege, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Mit CDU und CSU konnten wir uns auf wichtige Maßnahmen verständigen: zusätzliche Stellen für Fachkräfte, die Entlastung der Angehörigen und die Stärkung der Pflege im ländlichen Raum.

Kontrovers blieb die Frage der Bürgerversicherung. Die SPD bleibt dabei, dass sie eine Krankenversicherung anstrebt, in der alle Bürgerinnen und Bürger auf die gleiche Weise versichert sind. Auch, wenn wir Verbesserungen durchsetzen konnten, eine Bürgerversicherung war mit CDU/CSU nicht zu machen.

Was ist für Sie persönlich ein besonders gelungenes, da notwendiges Vorhaben für die Pflege, das sich im Koalitionsvertrag wiederfindet?
Wir haben ein Sofortprogramm für die Pflege vereinbart. Mir persönlich sind die Stärkung der Pflege im ländlichen Raum und eine stärkere Ausrichtung der Pflege auf Vorbeugung wichtig. Dass wir den präventiven Hausbesuch fördern und die Kommunen in die pflegerische Versorgung einbeziehen, finde ich besonders gut. Darüber hinaus sind die Maßnahmen wichtig, die unmittelbar für die Menschen spürbar sind: eine bessere Honorierung persönlicher Ansprache und Beratung durch Hausärzte, die bessere Unterstützung der ärztlichen Versorgung in ländlichen und unterversorgten Regionen sowie die gesonderte Personalbemessung und Vergütung der Pflege in Krankenhäusern.

Die Delegation soll ausgedehnt, die Substitution in Modellversuchen evaluiert werden und kann bei positivem Ergebnis in die Regelversorgung überführt werden. Das war Bestandteil des letzten Koalitionsvertrages. Die Robert Bosch Stiftung fordert in ihrem Manifest „Mit Eliten pflegen“ auch mehr Verantwortung bei der Übernahme ärztlicher Tätigkeiten für die professionell Pflegenden – nicht zuletzt, um die Pflege attraktiver zu machen. Warum kommt man hier nicht voran?
Über das Ziel, für die zukünftigen Herausforderungen des Gesundheitswesens die Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe neu zu justieren und den Gesundheitsfachberufen mehr Verantwortung zu übertragen, ist sich die Koalition einig. Wichtig ist jetzt, dass wir die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen stärken und neu ordnen. Dazu gehören die Akademisierung der Hebammenausbildung und die Abschaffung des Schulgeldes für die Ausbildung in allen Gesundheitsfachberufen.

Was hätten Sie in jedem Fall anders gestaltet, wenn Sie keinen Kompromiss mit einem Koalitionspartner hätten eingehen müssen?
Wir als SPD streben weiterhin eine Bürgerversicherung an und wären gerne erste Schritte in diese Richtung gegangen. Unser Ziel bleibt eine Krankenversicherung, in der grundsätzlich alle – wenn auch in verschiedenen Versicherungen – im gleichen Umfang krankenversichert sind. Erste Schritte hätten zum Beispiel ein Tarif für Beamtinnen und Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung oder eine Wechseloption für diejenigen sein können, denen es schwerfällt, ihre Prämien in der privaten Krankenversicherung zu zahlen. Außerdem hätten wir uns mehr Verbindlichkeit bei der Angleichung und Modernisierung einer gemeinsamen Vergütungsordnung gewünscht. All das ist leider am Widerstand der Union gescheitert.

Frau Dreyer, vielen Dank für das Gespräch. <<

Foto: SPD Rheinland-Pfalz

Ausgabe 01 / 2018