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Reform der Pflegefinanzierung nötig

04.12.2018 09:43
Wie sieht die Pflegefinanzierung der Zukunft aus? Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, plädiert im Rahmen der Vorstellung des „Pflegereports 2018“ für eine Deckelung der Eigenanteile von Pflegeleistungen und weist der Pflegeversicherung eine gewichtigere Rolle bei der künftigen Finanzierung der Pflegeleistungen zu. Denn sieben von zehn der im Zuge des Reports Befragten sind der Meinung, dass sich viele Familien Pflegedienste und Heime für ihre Angehörigen nicht leisten können. Auch der Sicherstellung gleichwertiger Versorgung im Bundesgebiet komme die Pflegeversicherung nicht nach, konstatiert Professor Thomas Klie, Evangelische Hochschule Freiburg, dem die wissenschaftliche Leitung des Reportes obliegt. Er schlägt ein regionales Monitoring der Pflegestrukturen vor, um sowohl Good Practice wie auch Fehler im System zu identifizieren und darauf Lösungen aufzubauen.

>> „Es gibt zahlreiche Beispiele, wo die Strukturen ineinander greifen und gute Bedingungen für die Bewältigung von Pflege gewährleistet werden – soweit dies von der derzeitigen Pflegeversicherung finanziert wird. Vielerorts gibt es Fehler im System. Von beidem können wir lernen“, sagt Pflegeexperte Professor Thomas Klie. Mit dem Konzept der regionalen Pflegekompetenzzentren hat die DAK-Gesundheit bereits konzeptuell vorgelegt: Ein solches Zentrum, das nach Vorschlag der Krankenkasse gut in von Schließung bedrohten Krankenhäusern umgesetzt werden könne, koordiniert alle Akteure der Pflege wie Beratungsstellen, Pflegedienste, stationäre Einrichtungen und Ärzte. Ziel sei es, im Sinne des Case Managements die beste Versorgung für jeden einzelnen Pflegebedürftigen zu schaffen.

Ein Pilotprojekt startet nach Angaben der DAK-Gesundheit in Nordhorn im südwestlichen Niedersachsen, wo ein Krankenhaus in ein Pflegeheim umgewandelt worden ist. Die Finanzierung wird zu einem großen Teil durch zehn Millionen Euro aus dem Innovationsfonds sichergestellt. „Dort haben wir ideale Bedingungen, um das erste Pflegekompetenzzentrum umzusetzen und die Bedingungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige in der Region zu verbessern“, ergänzt Storm. „Ich hoffe, dass wir das Konzept auch in anderen Regionen realisieren können.“ Regionaler Partner im Landkreis Grafschaft Bentheim/Landkreis Emsland ist die Gesundheitsregion EUREGIO e.V.

Welche Möglichkeiten Pflegebedürftigen als Unterstützung zur Verfügung stehen, ist außerdem im Bundesgebiet nicht einheitlich, was, so Klie, dem Gebot in Artikel 72 des Grundgesetzes widerspreche, welches die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse als Ziel der Bunderegierung ausweise. DAK-Chef Andreas Storm sieht hier die Bundespolitik in der Pflicht: „Vor wenigen Wochen hat die Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ unter dem Vorsitz des Bundesinnenministers ihre Arbeit aufgenommen. Die Kommission sollte das Thema Pflege als Schwerpunkt auf die Agenda setzen.

Wir brauchen eine Pflegeinfrastrukturgarantie.“ Denn ein Blick auf die Karte verrät: Stark unterdurchschnittlich  ist die vollstationäre Versorgung in den östlichen Bundesländern, aber auch im Saarland, in Hessen und in Rheinland-Pfalz, ausgeprägt. In den nord- und süddeutschen Ländern Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg werden hingegen überdurchschnittlich viele Pflegebedürftige vollstationär versorgt und weniger durch Angehörige zu Hause.

„Die Ergebnisse des DAK-Pflegereports zeigen: Pflegerische Versorgung ist nicht davon abhängig, welche Form für den Einzelnen am besten wäre. Sie ist abhängig vom regionalen Angebot“, ist Klie überzeugt. Denn schaut man auf die Qualität der pflegerischen Versorgung, so zeigt sich auch hier ein differenziertes Bild. Regionale Unterschiede sind auch hier wieder manifest. Zum Beispiel werden laut Report vielerorts Pflegebedürftige überdurchschnittlich oft im Krankenhaus behandelt – was als Hinweis auf eine supoptimale Versorgung gedeutet wird. Dies zeige sich vor allem in den östlichen Bundesländern: In Thüringen kommen demnach auf 100 Pflegebedürftige fast 150 Krankenhausfälle. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 146, in Sachsen-Anhalt 142 und in Brandenburg 143 Fälle. Unterdurchschnittliche Werte gibt es hingegen in Baden-Württemberg, hier kommen auf 100 Pflegebedürftige 115 Krankenhausbehandlungen.

Dass die Politik dem Thema Pflege mehr Beachtung schenken muss, davon sind 84 Prozent der Befragten überzeugt; wenn auch der Zeitpunkt der Befragung kurz vor dem Startschuss der „Konzertierten Aktion Pflege“ lag, wie Klie erklärt. Und dieser Wert zeigt sich seit 2009 als dauerhaft schlecht. Einen positiven Ausreißer weist das Jahr 2014 auf, als über das PSG I debattiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren 45 Prozent der Bevölkerung mit dem Stellenwert der Pflege in der Politik zufrieden.

Dabei ist das Thema Pflege bei den Bügerinnen und Bürgern in der Alltagserfahrung fest verankert. Während 30 Prozent aktuell oder früher Beteiligte an einem Pflegeprozess  sind, haben 45 Prozent der Bevölkerung Pflege in der Familie oder im Bekanntenkreis erlebt. Nur vier Prozent der Bevölkerung geben an, nichts über Pflege zu wissen. Das Thema ist in der Bevölkerung also absolut präsent, was sich auch in der hohen Wertschätzung von Pflegekräften der Deutschen manifestiert. Die Pflegekräfte rangieren in der Meinung der Bürger, die Erfahrung mit der Pflege haben, deutlich vor den Ärzten. <<

Ausgabe 04 / 2018