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Altenpflege als „globales Problem“

06.08.2019 09:25
Verbindung von theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung: Die duale Altenpflegeausbildung in Deutschland hat Tradition. Seit dem Inkrafttreten des Pflegegesetzes im Jahr 2003 einheitlich geregelt, wird das Modell nun zur Blaupause für die Ausbildung chinesischer Altenpfleger und Altenpflegerinnen. Damit die Milliardengesellschaft den demografischen Umbruch aktiv gestalten kann, haben das Information-Analytics-Unternehmen Elsevier, die FUU Sachsen gGmbH sowie das Deutsch-Chinesische Sozialwerk e.V. (DCSW) das Projekt „Sino-German Eldercare“ aus der Taufe gehoben. Ein Zukunftsprojekt – denn die Mehrheit der Chinesen leistet bisher familiale Pflege, doch auch dort ändern sich die gesellschaftlichen Strukturen. Ende April wurde das Projekt in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund vorgestellt.

>> „Mich fasziniert die Entwicklung in China, weil es noch nie eine solche Entwicklung in einem solchen Tempo, wie sie in den letzten 25 Jahren durch die Wirtschaftspolitik Deng Xiaopings in der Volksrepublik stattfand, gegeben hat“, erklärte Walter Riester, Bundesarbeitsminister a. D. und Schirmherr des Projektes „Sino-German Eldercare“ bei der Vorstellung desselben am 25. April in Berlin. Riester, der nach eigenem Bekunden auf 25 Jahre Erfahrung mit dem bevölkerungsreichsten Land zurückblickt und durchaus auch zu Beginn die kritischen Aspekte der chinesischen Expasionspolitik reflektiert, berichtet als Keynote-Speaker von einem Gespräch mit dem ehemaligen Staatspräsident der Volksrepublik, Hu Jintao, im Jahr 2003, das er als herausragend scharfe Analyse deklarierte. Es fiel in die Zeit der Verhandlungen zu Deutsch-Chinesischen Sozialvereinbarungen, und Riester berichtete, der Staatspräsident habe großes Interesse an der Entwicklung der europäischen Sozialsysteme bekundet, da deren Angebote in der Lage seien, Spannungen in der Gesellschaft aufzufangen.

Die Aufrechterhaltung der Harmonie und die Zusammenarbeit – ausgehend von der Familie – habe Hu Jintao als chinesisches Grundverständnis von Mensch und Kultur in China benannt. Vor diesem Hintergrund habe die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik den gesellschaftlichen Unterbau deutlich verändert, was demografisch gesehen zunehmend zum Problem für China werde.

Als zweite Problematik, benannte Hu Jintao bei dem Gespräch 2003 die boomende Wirtschaft im Osten und Süden des Landes, für deren Aufbau leistungsstarke junge Männer aus Zentral- und West-China sorgten, die aber in ihrer Heimat für familiale Dienste folglich fehlten. Darüber hinaus sei die Grundversorgung (Gesundheit, Unfall, Alter) nur für Staatsbedienstete und Militärangehörige gewährleistet gewesen. Vormals unterstützt durch viele große Staatsbetriebe, sei die Zahl derer rückläufig gewesen und für viele neue und vor allem ausländische Betriebe, galt diese nicht mehr. Zuletzt wies der Staatspräsident laut Riester noch auf das damals hohe Bruttosozialprodukt jedoch niedriges Pro-Kopf-Einkommen Chinas hin.

Mitunter Probleme, die auch teilweise im heutigen Europa nicht fremd seien, und so betonte Riester die Möglichkeit des gegenseitigen Lernens mit und aus diesem Projekt.

Denn auch wenn die Altenpflege in Deutschland auf eine längere Geschichte zurückblicken kann, so sei diese doch aktuell auch hierzulande ein „Problemkind“, was jedoch zu einem großen Teil auf strukturelle Ursachen zurückgeführt werden kann. Doch Riester merkt auch an: „Die Pflege benötigt trotz eines hohen Professionalitätsgrades in Deutschland noch viele Ergänzungen. Ein Schwachpunkt liegt darin, dass für Menschen, die der Pflege bedürfen, neben Professionalität ebenso Zuneigung, Erhalt der Menschenwürde sowie Teilhabe am Leben gewährleistet werden muss."
Und so soll gegenseitiges Lernen im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts „Sino-German Eldercare“ bedeuten, dass künftig chinesische Altenpflegerinnen und Altenpfleger durch eine am deutschen dualen Pflegeberuf orientierte Berufsqualifizierung ausgebildet werden.

Die deutschen Projektpartner – das Information-Analytics-Unternehmen Elsevier, die FUU Sachsen gGmbH sowie das Deutsch-Chinesische Sozialwerk e.V. (DCSW) – arbeiten dabei gemeinsam mit acht chinesischen Pflege-Colleges und -Akademien an der Umsetzung einer Altenpflegeausbildung in chinesischer Sprache. Das Projekt wird durch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mitgetragen.

Chinas Altenpflege erlebt nämlich derzeit einen Umbruch. Unter anderem aus den bereits dargestellten Gründen fällt es Familien immer schwerer, die nötigen finanziellen und zeitlichen Ressourcen für die Pflege ihrer Angehörigen aufzubringen. Dadurch seien staatliche und private Pflegedienste zunehmend gefragt. Mit der Etablierung eines Ausbildungsprogramms nach deutschem Vorbild soll nun die Entwicklung der chinesischen Altenpflege vorangetrieben werden, ohne dabei die landesspezifischen Besonderheiten außen vor zu lassen. Das stehe in Einklang mit den Bemühungen der Volksrepublik, ihre Infrastruktur im Bereich „Eldercare“ auszubauen und so den Herausforderungen der rasch alternden Bevölkerung zu begegnen, denen das Land unter anderem aufgrund der Ein-Kind-Politik, der steigenden Lebenserwartung und der stark zunehmenden Migration vom Land in die Ballungszentren gegenübersteht.

Der Projektpartner FUU Sachsen erklärte, dass für die deutsche Altenpflegeausbildung innerhalb des Projektes eruiert werden soll, inwieweit Erkenntnisse der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) angewandt werden können.
Ergänzend würden Ausbilder beziehungsweise Dozenten der chinesischen Partner am mediCampus in Chemnitz ausgebildet und eine E-Learning-Plattform entwickelt, die den teilnehmenden Colleges zur Verfügung gestellt werden sollen. <<

Ausgabe 02 / 2019