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Herausforderung Flächenland

02.04.2019 15:25
„Weniger, älter, bunter“, so beschreibt Sabine Bätzing-Lichtenthäler den demografischen Wandel in Rheinland-Pfalz, den es zu gestalten gelte. Die Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie führt die Arbeit ihrer Vorgängerin und heutigen Ministerpräsidentin Malu Dreyer fort und will die Entwicklung der Pflege in dem Flächenland mit ressortübergreifender Zusammenarbeit stärken. Bei prognostizierter abnehmender Bevölkerungszahl aber steigendem Anteil älterer und damit auch potenziell pflegebedürftiger Menschen spielen die die Kommunen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Etablierung effektiver Versorgungsstrukturen. Das erfolgreiche Modellprojekt der „Gemeindeschwester plus“ hat als präventiver Hausbesuch sogar Eingang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefunden.

>> Frau Bätzing-Lichtenthäler, das Thema Pflege steht für Sie als Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz „ganz oben“ auf der Agenda. Sie bezeichnen es als DAS Thema der Zukunft. Worin manifestiert sich die Priorität auf der strukturellen Ebene der Ministeriumsorganisation und -arbeit?

Die Bedeutung des Themas Pflege zeigt sich bereits darin, dass sich mit der „Pflege“ in meinem Haus drei Abteilungen beschäftigen. Die Abteilung Gesundheit ist insbesondere zuständig für die Pflege im Krankenhaus und für die Landespflegekammer. Die Abteilung Arbeit widmet sich den Themen rund um die Pflegeausbildung und der Fachkräftesicherung. Schließlich ist die Abteilung Soziales und Demografie für grundsätzliche Fragen zur Langzeitpflege einschließlich der Pflegeversicherung und der Angebotsstrukturen zuständig.

Sie führen als einziges Bundesland ein Demografieministerium ...

Als Demografieministerium haben wir auch die ganzheitliche und ressortübergreifende Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung im Blick. Zudem steuert die Stabsstelle „Gesundheit und Pflege 2020“ als interdisziplinäre Kompetenzstelle für Innovationen und Zukunftsfragen die Stärkung und Weiterentwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie die Gesundheitswirtschaft und Telematik.

Gibt es besondere Herausforderungen, die das Bundesland aufgrund geografischer, struktureller oder demografischer Voraussetzungen bewältigen muss?

Die Situation in Rheinland-Pfalz ist ausgesprochen heterogen. Wir haben die speziellen Anforderungen im ländlichen Raum zu bewältigen, wir haben Ballungsgebiete, beispielsweise mit einem Anteil des Rhein-Main-Gebiets, und wir haben Wanderungsbewegungen gepaart mit unterschiedlich verlaufenden Alterungsentwicklungen. Ein konkretes Beispiel für die unterschiedlichen Rahmenbedingungen: Eine kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz weist bereits heute einen ähnlich hohen Altenquotienten auf, wie ihn eine andere kreisfreie Stadt nach der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes im Jahr 2070 erreichen könnte.

Welche Maßnahmen resultieren aus diesen Entwicklungen?

Diese erheblichen regionalen Unterschiede verdeutlichen, wie wichtig es ist, Pflegeplanung auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte zu verorten. Dementsprechend haben wir den Landkreisen und kreisfreien Städten die Aufgabe der Pflegestrukturplanung landesgesetzlich übertragen und unterstützen die Kommunen mit einer Servicestelle bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung.

Auf der Berliner Pflegekonferenz 2018 hat sich Rheinland-Pfalz als nationales Partnerland präsentiert. Sie haben dort die Vorreiterrolle des Bundeslandes in Sachen Pflege hervorgehoben. Was macht Rheinland-Pfalz hier zum Leader?

Für uns hat es einen hohen Stellenwert, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst viel zu bewegen. Das äußert sich dann beispielsweise in den 135 Pflegestützpunkten, an denen das Land als Träger beteiligt ist. Gemeinsam mit unseren Partnern, den Kranken- und Pflegekassen sowie Kommunen und den Anstellungsträgern der Fachkräfte für Beratung und Koordinierung ist es uns gelungen, ein engmaschiges und wohnortnahes Beratungsangebot aufzubauen und zu sichern.
Ganz wichtig ist natürlich, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen vor Ort auch die Unterstützung finden, die sie benötigen. Mit jeweils über 500 ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen haben wir eine gut ausgebaute Angebotsstruktur, die von mittlerweile knapp 400 Unterstützungsangeboten im Alltag flankiert wird. Gleichzeitig spüren wir natürlich auch in Rheinland-Pfalz die Auswirkungen des bundesweiten Fachkräfteengpasses in der Pflege.

Wie eruieren Sie, in welcher Höhe dieser Fachkräftemangel tatsächlich numerisch zu beziffern ist?

Aufgrund unserer Arbeitsmarktanalyse „Branchenmonitoring“ wissen wir genau, wo wie viele Fachkräfte in welchen Sektoren des Gesundheitswesens und der Pflege fehlen. Auf Basis dieser Daten erstellen wir Prognosen zum zukünftigen Fachkräftebedarf und entwerfen gemeinsam mit den relevanten Akteuren Fachkräftesicherungsszenarien. Diese bilden auch die Grundlage für die Ausbildungsstättenplanung, bei der wir mit den Krankenhäusern Zielvorgaben zum Ausbau der Ausbildungskapazitäten vereinbaren. Darüber hinaus haben wir schon vor Jahren Landesprojekte zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Pflege auf den Weg gebracht, um die Teilzeitquote zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Können Sie uns einen Einblick in das Monitoring geben?

Im Jahr 2010 zeigte das „Branchenmonitoring“ ein Defizit und für das Jahr 2015 wurde im Prognosegutachten eine Fachkräftelücke von insgesamt 5.367 Pflegekräften prognostiziert. Als Reaktion darauf wurde im Jahr 2012 die „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative“ auf den Weg gebracht. Die Maßnahmen waren erfolgreich, denn das „Branchenmonitoring 2015“ macht sichtbar, dass die prognostizierte Fachkräftelücke von 5.367 Pflegekräften nicht eintrat. Stattdessen wurde die prognostizierte Fachkräftelücke um rund 65 Prozent auf 1.912 fehlende Pflegekräfte reduziert.
Jede Fachkräftelücke in der Pflege bedeutet jedoch eine Arbeitsverdichtung für das vorhandene Personal. Wir steigern daher unsere Fachkräftesicherungsaktivitäten, damit es in Rheinland-Pfalz auch weiterhin attraktiv ist, in der Pflege zu arbeiten.

Mit welcher Strategie konnten Sie die Pflege in dieser Form stärken?

Ich will hier einige Beispiele nennen. Erstens, die Fachkräftesicherung: Unsere Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden demografischen, technologischen und strukturellen Wandel, der gleichermaßen Herausforderungen und Chancen für die Menschen in Rheinland-Pfalz bereithält. Im Gesundheitswesen und in der Pflege geht es um die Sicherstellung und Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung in den städtischen wie in den ländlichen Regionen. Wir setzen uns bereits seit längerem gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern im rheinland-pfälzischen Gesundheitswesen und der Pflege in Fachkräfteinitiativen und vielfältigen Projekten mit diesen Entwicklungen erfolgreich auseinander.

Sie haben bereits 2015 eine „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege“ gestartet.

Es ist unser gemeinsames Ziel, eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige pflegerische und medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz vorzuhalten und weiterzuentwickeln. Um dies sicherzustellen, sind fachkompetente Pflegekräfte in ausreichender Zahl unverzichtbar. Wir werden deshalb gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern die Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative fortführen und als „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0, 2018 - 2022“ weiterentwickeln. Dafür wurden gemeinsam und verbindlich die Ziele und Maßnahmen in folgenden Handlungsfeldern festlegt:
• Zukunftsorientierte Formen von Ausbildung, Studium und Weiterbildung in der Pflege,
• Weiterentwicklung und Rahmenbedingungen der Pflegeberufe,
• Attraktive Beschäftigungsbedingungen in der Pflege,
• Integration ausländischer Pflegekräfte,
• Öffentlichkeitsarbeit.

Wohnformen spielen in Ihrem Konzept doch auch eine große Rolle.

Richtig. Einen Fokus legen wir auch auf das Feld neuer Wohnformen. In den letzten Jahren sind in Rheinland-Pfalz viele neue Wohn- und Versorgungsangebote entstanden, die ein langes Leben zuhause ermöglichen. Gemeinschaftliches Wohnen, zum Beispiel in einem Mehrgenerationenprojekt, bietet dafür die nötigen Grundlagen: Kontakte und vielfältige Möglichkeiten sich selbst einzubringen – das geht vom Mittagstisch über Einkaufsdienste oder Haushaltshilfen bis hin zum Repair-Cafe – das stärkt das Miteinander der Menschen, die darin leben.

Was bedeutet das für die professionelle Pflege?

Neue Wohnformen bieten auch für Pflege- und Sozialdienste ganz neue Ansätze, beispielsweise bei Wohn-Pflege-Gemeinschaften, in denen bis zu zwölf pflegebedürftige Menschen ihren Alltag gemeinsam organisieren. Ein anderes gutes Beispiel sind die neuen Quartiersprojekte mit barrierefreien Wohnungen und integrierter Nachbarschaftshilfe, wo der Pflegedienst eine 24-Stunden Bereitschaft anbieten kann. Da können dann Menschen wohnen bleiben, die sonst womöglich über einen Auszug nachdenken würden. Die neuen gemeinschaftlichen Wohnformen gelten deswegen zurecht als Modelle für eine älter werdende Gesellschaft: Hier wird Nachbarschaftshilfe gestärkt, Teilhabe ermöglicht und professionelle Dienstleister können gut eingebunden werden.

Wo setzen Sie da mit Ihrer Unterstützung ganz konkret an?

Um dem Interesse, das es an der zunehmenden Vielfalt an Wohnformen gibt, gerecht zu werden, haben wir eine ganze Reihe an Maßnahmen initiiert, nur beispielhaft nenne ich die vom Land finanzierte Beratungsstelle „Neues Wohnen“ bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung, die Anschubförderung für neue Wohnformen, die bis zu 10.000 Euro beträgt und die Unterstützung des Aufbaus von Wohn-Pflege-Gemeinschaften in kleinen Dörfern mit dem Projekt WohnPunkt.Das Landesprojekt WohnPunkt RLP begleitet Dörfer beim Aufbau von Wohn-Pflege-Gemeinschaften. Die Kommunen erhalten eine professionelle Aufbaubegleitung bei ihrem Wohnprojekt; eine Koordinierungsstelle fördert unter anderem den Austausch der Modellkommunen untereinander. Durch diese dörflichen Wohn-Pflege-Gemeinschaften kann die pflegerische Versorgung vor Ort verbessert, lokale Arbeitsplätze geschaffen und ein Beitrag zur Dorferneuerung geleistet werden. Gerade in kleinen Gemeinden geht es oft auch darum, überhaupt ein Angebot für unterstützungsbedürftige ältere Menschen vor Ort zu schaffen. Gleichzeitig signalisiert ein solches Projekt aber auch: Wir sind eine Dorfgemeinschaft, wir stehen zusammen und wir bringen gemeinsam unser Dorf voran.

Woraus besteht die dritte Säule Ihrer Strategie?

Ein weiterer pflegepolitischer Schwerpunkt des Landes ist die Demenzstrategie, in deren Rahmen sich mittlerweile rund 40 regionale Demenznetzwerke gebildet haben, in denen verschiedene Träger und Initiativen sich gemeinsam in einer Region für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen einsetzen. Die Demenznetzwerke werden dabei unterstützt durch die landesweit aktive Servicestelle „Landes-Netz-Werk Demenz“ bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung. Diese Investition in Vernetzung macht sich bezahlt, denn ohne die großen regionalen Demenznetzwerke in den Städten und Landkreisen könnten wir in Rheinland-Pfalz für Menschen mit Demenz nicht viel erreichen.

Und wie sieht das in der Praxis aus?

Im Landesgremium Demenz bringen wir zudem über die bestmögliche Versorgung, Beratung und Betreuung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen einen breiten Beteiligungsprozess voran. Ziel ist, in den Bereichen Selbsthilfe, Beratung, Medizin und Pflege professionenübergreifend gemeinsame Handlungsstrategien zu erarbeiten und umzusetzen, zum Beispiel durch entsprechende Fortbildungsangebote für Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte oder durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe und Beratung.Ein wirklich gutes Beispiel, was wir auf der Landesebene erreichen können, ist auch unsere bereits 2013 gestartete Kampagne „Demenzkompetenz im Krankenhaus“, mit der wir die schwierige Situation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus verbessern.


Neben der Fachkräftesicherung, neuen Wohnformen und der Demenzstrategie haben Sie einen weiteren Pfeil im Köcher.

Nicht zuletzt ist das Projekt „Gemeindeschwester plus“ zu nennen, mit dem wir im Rahmen von präventiven Hausbesuchen hochbetagte, noch nicht pflegebedürftige Menschen aktiv ansprechen und beraten. Das Land Rheinland-Pfalz fördert hier ein ganz konkretes Angebot für hochbetagte Menschen, die noch keine Pflege brauchen. Es sind in der Regel Menschen über 80, die in ihrer aktuellen Lebenssituation den ein oder anderen Unterstützungsbedarf haben, gerne auf entsprechende Beratung zurückgreifen oder einfach nur das Gespräch suchen, um ihre Sorgen und Nöte mitzuteilen.

Was ist denn das ausgewiesene Ziel der „Gemeindeschwester plus“?

Mit dem Projekt „Gemeindeschwester plus“ wollen wir im Vorfeld der Pflege durch gezielte Interventionen, wie beispielsweise mit gesundheitsfördernden Aktivitäten, Pflegebedürftigkeit vermeiden oder hinauszögern und rechtzeitig über das umfassende Beratungs- und Versorgungssystem in Rheinland-Pfalz bei Pflegebedarf informieren. Vor allem geht es uns bei den Besuchen der „Gemeindeschwestern plus“ auch darum, Rückzugstendenzen und Einsamkeit vorzubeugen. Gleichzeitig verbinden wir damit die Schaffung ausreichender sozialräumlicher Angebote im direkten Wohnumfeld, in dem die „Gemeindeschwestern plus“ Rückmeldungen an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister geben, welche Angebote für ein gutes, selbstbestimmtes Leben im Alter vor Ort noch fehlen und in direkter Zusammenarbeit mit den für Pflegestrukturplanung zuständigen Stadt- und Landkreisen im Land einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Sozialräume leisten.

Das Modell macht ja auch Schule.

Wir erhalten inzwischen viele Anfragen aus rheinland-pfälzischen Kommunen, die in der Modellphase des Projekts nicht eingebunden werden konnten. Mein Ziel ist, dieses präventive und gesundheitsfördernde Angebot Zug um Zug in die Fläche zu bringen. Allerdings lässt sich die bisherige alleinige Finanzierung durch das Land nicht dauerhaft begründen. Wir setzen hier auf die Unterstützung der Krankenkassen und der Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz und machen uns auf Bundesebene für diesen präventiven Hausbesuch stark. Als Land haben wir erreicht, dass er im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert wurde.

Auf bundespolitischer Ebene werden derzeit unterschiedliche Lösungsansätze zur Fachkräfterekrutierung und -sicherung erarbeitet und initiiert. Rheinland-Pfalz hat hier mit der „Fachkräfteinitiative“ ein eigenes Programm aufgelegt. Auch die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) erarbeitet Konzepte, mit denen der Arbeitsalltag und die -bedingungen spürbar verbessert werden sollen. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 liegt mit der „Ausbildungsoffensive Pflege“ bereits vor. Kann man da nicht Know-how zusammenführen?

In der KAP wurden Arbeitsgruppen unter dem Vorsitz verschiedener Bundesministerien gegründet, die sich mit Ausbildung und Qualifizierung, Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung, innovativen Versorgungsansätzen und Digitalisierung, Pflegekräften aus dem Ausland sowie Entlohnungsbedingungen in der Pflege beschäftigen. Diese AGs sind mit den jeweiligen relevanten Akteuren besetzt, die zu jedem Handlungsfeld Vereinbarungstexte erarbeiten. Im Rahmen der bereits erwähnten rheinland-pfälzischen „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0, 2018-2022“ wurden Vereinbarungen zur Fachkräftesicherung getroffen, die größtenteils mit den Themen der Arbeitsgruppen der KAP identisch sind. Wir können daher in Rheinland-Pfalz sehr gute Synergieeffekte erzielen.

Sie sind selbst in einem Gremium der KAP vertreten. Wie gestaltet sich denn der Abstimmungsprozess unter den doch sehr verschiedenen Akteuren?

Die Länder erhalten die Vereinbarungstexte der KAP wie alle Partner zur Stellungnahme, so dass am Ende eine konsentierte Fassung dem Dachgremium vorgelegt wird. In dem Dachgremium bin ich vertreten. Ziel ist, am Ende einen zwischen allen relevanten Akteuren abgestimmten Vereinbarungstext zu erstellen, der Maßnahmen enthält, um die Rahmenbedingungen zur Fachkräftesicherung in der Pflege spürbar zu verbessern.
Bund und Länder arbeiten dabei in der angesprochenen „Ausbildungsoffensive Pflege“ eng zusammen. Das heißt in der Umsetzung, dass wir im Handlungsfeld „Öffentlichkeitsarbeit“ der rheinland-pfälzischen Fachkräfteinitiative auch die Materialien des Bundes, wie bespielsweise Flyer für die neue generalistische Pflegeausbildung, nutzen und verbreiten.

Konsens im Rahmen der Diskussion um Pflegefachkräfte ist stets auch eine bessere Bezahlung. Doch wer soll diese finanzieren, um damit die Pflege – auf Bundesebene und in Rheinland-Pfalz – zukunftsfest zu machen?

Eine zukunftsfeste Pflege erfordert passgenaue professionelle Angebotsstrukturen, denn wir können pflegende Angehörige mit der Sorgearbeit nicht allein lassen. Mit Blick auf die weiter zunehmende Zahl pflegebedürftiger Menschen und die hohe Belastung vieler pflegender Angehöriger ist klar, dass diese professionellen Strukturen weiter wachsen müssen. Gleichzeitig sehen wir aber, dass die – richtigen und notwendigen – Maßnahmen zur Stärkung der Pflege im Krankenhaus dazu führen, dass sich Krankenhausträger auch bei ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen nach zusätzlichen Pflegekräften umsehen werden. Und mit Blick auf die Gehaltsunterschiede zwischen Akut- und Langzeitpflege können Krankenhausträger im Zweifel auch attraktive Angebote für einen Wechsel unterbreiten. Hinzu kommt die generalistische Pflegeausbildung, die den Wechsel zwischen Akut- und Langzeitpflege tendenziell weiter vereinfachen wird.

Das hört sich nach einer ungünstigen Entwicklung für die Altenpflege an.

Aufgrund dieser Entwicklungen müssen wir zu vergleichbaren Gehältern kommen. Und spätestens im kommenden Jahr müssen wir über die Erkenntnisse aus der Entwicklung und Erprobung des Personalbemessungsverfahrens diskutieren, das der Bundesgesetzgeber in Auftrag gegeben hat. Es wäre sicherlich überraschend, wenn ein solches Verfahren im Ergebnis nicht zu mehr Personal führen würde, wenn auch vielleicht mit einem anderen Qualifikationsmix als heute.

Vergleichbare Gehälter und mehr Personal – das hört sich teuer an.

Letztlich gilt es, eine Antwort darauf zu geben, wer für steigende Pflegekosten aufkommt. Und das können aus meiner Sicht nicht länger die pflegebedürftigen Menschen sein. Bei Zuzahlungsbeträgen für vollstationäre Pflege, die teilweise jenseits der 2.000 Euro im Monat liegen, ist eindeutig eine Grenze überschritten. Die richtige Antwort auf die Finanzierungsfrage ist deshalb, die Eigenanteile zu fixieren und steigende Pflegekosten über die Pflegeversicherung aufzufangen. Die Höhe einer angemessenen Eigenbelastung ist sicherlich noch diskussionsbedürftig, in jedem Fall folgt aus der Klärung einer Finanzierungsfrage gleich die nächste. Denn zumindest perspektivisch wird die Pflegeversicherung bei einer solchen Umkehr des Leistungsprinzips stärker belastet und ist daher mit zusätzlichen finanziellen Mitteln auszustatten.

Welche Finanzierungsform können Sie sich denn vorstellen?

Allein an der Beitragssatzschraube können wir jedoch nicht beliebig weiterdrehen. Schließlich ist der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung bereits innerhalb von etwas mehr als sechs Jahren um über 50 Prozent gestiegen. Deshalb benötigen wir einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln, der einen Ausgleich für Pflegeversicherungsleistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse schafft, beispielsweise für die Beitragszahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung für Pflegepersonen.

Frau Bätzing-Lichtenthäler, vielen Dank für das Gespräch. <<

 

 

 

 

 





Ausgabe 01 / 2019