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Unabhängigkeit: Eine Frage der Perspektive

07.10.2019 15:05
Der Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) übt Kritik am MDK-Reformgesetz. Während die Stärkung der Unabhängigkeit grundsätzlich begrüßt wird, sei es ebenso zwingend erforderlich, die Tätigkeit von MDS, MDK-Gemeinschaft und GKV-Spitzenverband weiterhin miteinander zu verbinden. Der MDS wird vom GKV-Spitzenverband gelöst und künftig als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter der Bezeichnung Medizinischer Dienst Bund (MD Bund) geführt. Die bisherigen MDK werden zu Medizinischen Diensten (MD) und sind Mitglieder des dann neu geschaffenen MD Bund. Vertreter der Pflegeberufe sowie Vertreter von Pflegebedürftigen sollen künftig Mitglieder des Verwaltungsrates sein. Der Entwurf stößt auf geteiltes Echo.

>> „Es irritiert doch sehr, dass in einem Gesetzgebungsverfahren, das die Unabhängigkeit der MDK-Prüfungen als zentralen Inhalt proklamiert, die Krankenkassen statt 6 von 16 Mitgliedern nun 16 von 23 Mitglieder der MD-Verwaltungsräte besetzen dürfen“, moniert der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. in einer Stellungnahme am 30. August. Den fachlichen Experten aus Ärzteschaft und Pflege hingegen würden nur noch zwei Sitze zugesprochen und das Stimmrecht entzogen. In dieser Besetzung der zentralen Kontroll- und Aufsichtsgremien des MD und angesichts der weiter einseitigen Beauftragung und Finanzierung könne von einer Steigerung der Unabhängigkeit keine Rede mehr sein.

Gutachterliche Unabhängigkeit „schon immer gegeben“

Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS, äußert sich im Interview mit „Monitor Pflege“ (siehe Seite 6-9) jedoch gegenteilig und betont, „dass MDK und MDS zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts werden, wertet die Medizinischen Dienste auf“. Positiv sei auch, die gutachterliche Freiheit zu betonen und auf alle Gutachtergruppen auszudehnen, so Pick, auch wenn die gutachterliche Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste schon immer gegeben gewesen sei.

Der Paritätische Gesamtverband begrüßt, dass die Medizinischen Dienste durch organisatorische Reformen unabhängiger werden. Auch die Tatsache, dass der Medizinische Dienst Bund in seiner Unabhängigkeit gegenüber dem GKV Spitzenverband gestärkt und die Unabhängigkeit nichtärztlicher Gutachter der Medizinischen Dienste gesetzlich normiert werde, findet beim Verband Zuspruch. Der Verband spricht sich außerdem dafür aus, dass die Richtlinienkompetenz in mehreren Bereichen nicht beim Medizinischen Dienst Bund, sondern beim Qualitätsausschuss Pflege angesiedelt wird.

Ebenfalls positiv wertet die Deutsche Rheuma-Liga die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, mit dem Umbau der MDK und des MDS eine größere Unabhängigkeit von den Kranken- und Pflegekassen zu erreichen. In den letzten Jahren sei der MDK in der Öffentlichkeit verstärkt vor allem als „Erfüllungsgehilfe“ der Krankenkassen wahrgenommen worden, um Kosten einzusparen. Es sei daher nur konsequent, dass sich die Interessen der Patienten bzw. Versicherten stärker als bisher in der Aufgabenwahrnehmung der MDs und des MD Bund widerspiegeln. Hierzu würden künftig Patientenvertreter in die Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste sowie des Medizinischen Dienstes Bund berufen. Den Verwaltungsräten obläge u.a. die Festlegung von Richtlinien im Hinblick auf einheitliche Begutachtung und zur Qualitätssicherung der Arbeit der MDs.

Keine wirkliche Loslösung von den Kranken- und Pflegekassen?

Die Bundesregierung habe sich auf dem Weg vom Referenten- zum Gesetzentwurf dazu entschieden, die Position der Krankenkassen in den Verwaltungsräten wieder deutlich zu stärken, indem sie diesen eine Stimmenmehrheit verschaffe. Insofern sei der Gesetzentwurf zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung – eine wirkliche Loslösung der Medizinischen Dienste von den Krankenkassen werde so nicht vollzogen, urteilt die Rheuma-Liga.

Der vdek hingegen lehnt die gravierende Neuorganisation der MDK-Gemeinschaft rundweg ab. Die Neuorganisation der MD stelle neben den geplanten Regelungen des Faire-Kassenwahl Gesetzes (GKV-FKG) zur Besetzung des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands einen weiteren Eingriff in die Rechte der demokratisch legitimierten Sozialen Selbstverwaltung dar. Zukünftig zögen Vertreter der Leistungserbringer – Pflegeberufe und Ärzte – mit Sitz und Stimme in die Verwaltungsräte ein. Damit werde die gewählte Vertretung der Krankenkassen im MD nachhaltig geschwächt und eine unabhängige Entscheidungsfindung erschwert.

Denn Entscheidungen über die Gestaltung von Richtlinien zu Inhalten der gutachterlichen Prüfungen könnten zukünftig durch Partikularinteressen der Leistungserbringer der Pflege und der Ärzteschaft geprägt werden, mutmaßt der vdek. Es bedürfe jedoch keiner Aufwertung von berufsständischen Interessen oder nicht demokratisch legitimierten Betroffenenvertretern in den Verwaltungsräten. Die geplante Neubesetzung stehe dem gesetzlichen Ziel des Medizinischen Dienstes als fachlich unabhängige Beratungs- und Begutachtungsinstitution zur Sicherung einer bedarfsgerechten Versorgung entgegen, erklärt der vdek. <<

Ausgabe 03 / 2019