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Von der Theorie in die Praxis – aber wie?

02.04.2019 11:03
Mit dem Rückenwind der Pflegestärkungsgesetze ist es nun an Politik und Selbstverwaltung, die Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern und damit auch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Mit welcher Windstärke in Sachen Reformprozess hier allerdings zu rechnen ist, sollten verschiedene Diskussionen auf dem Deutschen Pflegetag 2019 zeigen. Mit einer Pressekonferenz wurde die dreitägige Veranstaltung am 14. März eröffnet.

>> „Die jetzige Bundesregierung hat den Ernst der Lage erkannt.“ Dieses Zeugnis stellte Franz Wagner der politischen Führung in Berlin aus. Auf der Pressekonferenz zur Eröffnung des Deutschen Pflegetages, die Nadine van Maanen als Bereichsleiterin Pflege & Gesundheit der Schlüterschen Mediengruppe eröffnete, erkannte Wagner an, dass die Regierung um Angela Merkel willens sei, „etwas zu unternehmen“. Er lobte die Konzertierte Aktion Pflege, kurz: KAP, mit der ein wichtiger Schritt unternommen worden sei, um „konzentriert und koordiniert eine Trendwende einzuleiten“.

Wer hier schon das „Aber“ wie ein Damoklesschwert über der Satzführung schweben hört, soll Recht behalten. Denn „wir haben weitgehend kein Erkenntnis-, sondern wir haben ein Umsetzungsproblem“, analysierte Wagner – auch im Hinblick auf die Diskussion sowie Zwischenergebnisse der KAP und verwies einerseits auf das gewinnbringende Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Akteure, jedoch andererseits auf deren Ringen um Lösungen. Der Pflegeratspräsdident monierte, dass es an Orientierung und Zielvorgaben für die Weiter- entwicklung des Berufsfeldes Pflege über die nächsten Jahre hinaus mangele. Mit dem vom DPR entwickelten „Masterplan Pflegeberufe“ denkt Wagner einen Schritt weiter und will diesen auf die Ergebnisse der KAP draufsatteln, um längerfristige Ziele zur Umsetzung zu bringen.

Eine klare „Zielmarke“ vermisste auch der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, und zwar in Sachen Pflegeberufegesetz. Der mit diesem Gesetz eröffnete Weg, die Pflegeausbildung an einer Hochschule zu absolvieren, wird für Litsch von der KAP nicht in angemessener Form unterstützt. Er sprach sich für die Festlegung einer Akademisierungsquote aus, denn gestufte und durchlässige Bildungsangebote machten die Pflege attraktiver.

Leergefegter Arbeitsmarkt

Laut Bundesarbeitsagentur, so Wagner, dauere es etwa 5 Monate, bis eine freie Stelle in der Pflege wieder besetzt werden könne. Und doch forderte der DPR-Präsident als ersten Schritt, um die Pflege aus der Krise zu führen, eine Verbesserung der Personalausstattung und eine deutliche Belastungsreduktion für Pflegefachpersonen. Was wie ein Paradoxon klingt, wird laut Wagner durch die Ressourcen, die sich hinter einer hohen Teilzeitquote verbergen und sich zudem aus Berufsaussteigern speisen, aufgelöst. Einen Indikator für die Belastung der Pflegeberufsangehörigen hatte Litsch mitgebracht. Der Krankenstand 2018 in dieser Berufsgruppe habe 2018 bei 7% gelegen, der Bundesdurchschnitt nur bei 5,5%.

Um eine echte Trendwende einzuleiten, bedürfe es aber wesentlich mehr Stellenschaffungen, als der im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) vorgesehenen, so Wagner und stellte mit 100.000 eine beachtliche Zahl in den Raum. Grundlage müsse jedoch in allen Versorgungssektoren ein Personalbemessungsverfahren sein, wie es derzeit für die Langzeitpflege in Entwicklung ist. Ohne ein solches griffen bereits vorgenommene gesetzliche Veränderungen, wie die zu den Personaluntergrenzen im Krankenhaus, zu kurz und liefen sogar Gefahr, sich negativ auszuwirken.

Neben der Politik mahnte Wagner Arbeitgeber für eine bessere Arbeitsorganisation, verlässlicher Dienstpläne oder flexible Arbeitszeitmodelle zu sorgen. Genauso verlangte er jedoch von den Pflegenden selbst mehr Engagement im Politischen wie in der Selbstverwaltung. Mittel der Wahl sind hier die Pflegekammern auf Landes- wie auch auf Bundesebene. „Und wir benötigen mehr Mitsprache in den entscheidenden Gremien der sozi- alrechtlichen Selbstverwaltung, z.B. im G-BA und im Qualitätsausschuss“, forderte Wagner, der nicht zuletzt auch eine bessere Bezahlung für die professionell Pflegenden forderte, welche auch Litsch als Schlüsselfaktor unterstrich.

Für ihn stehen die Nachweispflichten der festgelegten Tariflöhne beziehungsweise der vereinbarten Vergütung ganz oben auf der Agenda. „Einen Vorstoß zur Rechtsverordnung haben wir bereits in die KAP eingebracht“, ließ Litsch die Zuhörer wissen. Beide Sprecher betonten abschließend die Notwendigkeit der Novellierung des Rollenverständnisses und forderten ein Plus an eigenverantwortlichem Handeln, das auch punktuell die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten miteinschließe. <<

 

Ausgabe 01 / 2019