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Patientensicherheit ist Leitgedanke

03.08.2020 11:55
Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) hatte am 29. Juni zum Thema „Profilierung von Vorbehaltsaufgaben der Fachpflege gemäß § 4 Pflegeberufegesetz und Fragen der Heilkundeübertragung in Zeiten von Corona“ zahlreiche Pflegeexperten, Vertreter der Pflegekammern und Fachleute aus der Pflegepraxis zum Fachgespräch in die Bayerische Vertretung in Berlin geladen. Dies soll der Auftakt zu einem konstruktiven Dialog zum Thema Vorbehaltsaufgaben sein – und das nicht nur in Bayern, sondern bundesweit.

>> Die Pflege hat es in der Hand: Das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Pflegeberufegesetz beinhaltet erstmals eine Definition der vorbehaltenen Aufgaben und damit einen eigenständigen Entscheidungsraum für die Pflege. Denn die inhaltliche Profilierung dieser gesetzlichen Vorgabe, aber auch die Umsetzung des Konzepts der Vorbehaltsaufgaben in der pflegerischen Praxis, liege nun in den Händen der professionellen Pflege selbst, konstatiert die VdPB. Mit dem Fachgespräch in Berlin wollte die Vereinigung den Startschuss für den dazu erforderlichen Diskurs auf pflegefachlicher Ebene geben und fordert zu breiter Diskussion auf.

„Die gesetzliche Definition von vorbehaltenen Aufgaben für die Pflege bedeutet für die Berufsgruppe einen Paradigmenwechsel, der ein Meilenstein in der Professionalisierung werden könnte, wenn es gelingt, sie auch in der Praxis mit Leben und detaillierten Inhalten zu füllen“, stellte VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner fest.

Pflegeexpertin Elisabeth Beikirch forderte einen „institutionellen und interdisziplinären Dialog zu dem, was jetzt durch das Pflegeberufegesetz ausgelöst worden ist“. Sie erinnerte allerdings daran, dass weder die Berufsgruppe noch die angestrebte Professionalisierung der Pflegeberufe für den Gesetzgebungsprozess prioritär gewesen sei – allein Überlegungen zur Sicherheit der Gesundheitsversorgung gälten als Leitgedanke und Legitimation bei der Definition von Vorbehaltsaufgaben sowie aktuell als Beleg der Systemrelevanz der Pflege.

Die Experten aus den verschiedenen Bereichen der Pflege stellten nach Angaben der VdPB übereinstimmend fest, dass bei der Implementierung von vorbehaltenen Aufgaben im pflegerischen Alltag Hürden auf verschiedenen Ebenen zu überwinden seien: Neben der Beseitigung von rechtlichen Unklarheiten wie zum Beispiel dem Unterschied von Tätigkeiten und Aufgaben oder der bislang fehlenden Berücksichtigung der Pflegeplanung im Gesetz, müsse dringend in Personal- und Organisationsentwicklung in den Einrichtungen investiert werden. Sonst fehle es vielerorts an notwendigen Kompetenzen, sachgerechten Strukturen und interprofessionell respektvoller Zusammenarbeit, um eine reibungslose Umsetzung in die Praxis zu gewährleisten.

„Kommen die Vorbehaltsaufgaben noch zu früh für die Pflege?“

Prof. Dr. Thomas Weiß, Justitiar der Pflegekammer Schleswig-Holstein, warnte jedoch davor, den Ball an den Gesetzgeber zurückzuspielen. Es sei jetzt an der Pflege und ihren Selbstverwaltungsorganen, den Prozess voranzutreiben und das Konzept der Vorbehaltsaufgaben inhaltlich auszuarbeiten. In dem Zusammenhang stellte laut VdPB  Dr. Bernhard Opolony vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die „provokante“ Frage, ob die Vorbehaltsaufgaben trotz ihrer langen Geschichte für die Pflege noch zu früh kämen – fällt es der Pflege doch nach wie vor schwer, eine gemeinsame Interessenvertretung zu organisieren. Doch waren die Referenten und Podiumsdikutanten sich einig, dass man eine durchaus positive Dynamik hin zu mehr Autonomie und Eigenverantwortlichkeit der Pflege erwarte. Dazu müsse klar sein, dass es bei der Klärung der Inhalte von Vorbehaltsaufgaben einer starken Orientierung an den dafür nötigen Kompetenzen bedürfe.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, wurde diesbezüglich konkret: „Pflegekräfte müssen zum Beispiel entsprechend ihrer Kompetenz eigenständige Grundversorgung vornehmen, notwendige Materialien, Hilfsmittel verordnen dürfen. Sie müssen aus meiner Sicht Budget- hoheit bekommen und sie müssen die Entscheidungen der konsularischen Beteiligung finden.“ Es gehe um die Sicherheit der Menschen in dieser Versorgungsstruktur. „Wir können doch nicht immer beklagen, dass wir immer weniger werden in allen Gesundheitsfachberufen und dann versuchen, uns hinter irgendwelchen Aufteilungen zu verschanzen. Wir brauchen jetzt und viel mehr noch in der Zukunft grundständige akademische Pflegeausbildung“, forderte Westerfellhaus.

Sigl-Lehner sieht die VdBP als Impulsgeber für eine qualifizierte Diskussion um die Profilierung der Vorbehaltsaufgaben: „Ich bin sicher, dass alle Teilnehmer des Fachgesprächs und darunter ganz besonders die Vertreter der Pflegekammern und der VdPB den Ball, der der Profession mit der Definition von Vorbehaltsaufgaben zugespielt wurde, jetzt aufnehmen möchten. Das Thema wurde bisher wohl kaum so offen, qualifiziert und problemorientiert diskutiert“, so Sigl-Lehner und forderte einen bundesweiten Dialog, an dem sich die Selbstverwaltungsorgane und Vertreter der Pflegenden aus allen Bundesländern beteilgen. <<

Ausgabe 02 / 2020