Palliativmedizin in Zeiten von COVID-19: "Entscheidung über Beatmung nicht aufgrund des Alters treffen"
„Jedes menschliche Leben genießt den gleichen Schutz“, heißt es in den Empfehlungen des Nationalen Ethikrats in Anlehnung an das Grundgesetz, und zwar unabhängig von Geschlecht, Rasse, Religion, Herkunft und Alter. „Daher darf der Staat auch in Ausnahmezeiten nicht vorschreiben, welches Leben in einer Konfliktsituation vorrangig zu retten ist“, sagt Norbert Schürmann, Autor der neuen S1-Leitlinie und Vizepräsident der DGS. Er betont „Das Alter stellt keine Begründung für eine Behandlungsrestriktion dar.“
Therapiezielfestlegung anhand von fünf Fragen
Um entscheiden zu können, ob intensivmedizinische Behandlungen inklusive einer Beatmung erfolgen oder ob der Patient palliativmedizinisch behandelt werden sollte, seien folgende Fragen hilfreich:
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Hat der Patient eine nicht heilbare, lebenslimitierende Erkrankung?
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Gibt es bei dem individuellen Patienten angesichts seiner Gesamtsituation eine medizinische Indikation für intensivmedizinische Behandlung und/oder eine invasive Beatmungstherapie?
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Liegt eine Patientenverfügung vor?
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Hat der Patient eine palliative Grunderkrankung?
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Liegt eine Vorausplanung zur Therapiezieländerung nach Advance-Care-Planning-Standard vor?
Falls eine Intensiv- oder Beatmungstherapie nicht indiziert sei oder nicht dem z. B. in der Patientenverfügung geäußerten Willen des Patienten entspreche, sollte der Patient bestmöglich palliativ versorgt werden, beispielsweise auf einer Palliativstation, in einem Hospiz, durch ein Palliativteam oder den Hausarzt.
Falls Triage unvermeidlich: Sorgfältig abwägen, Mehraugenprinzip wahren
Sollte die Entscheidung für eine Beatmungstherapie fallen, aber keine weiteren Beatmungsplätze zur Verfügung stehen, könnten Ärzte gezwungen sein, eine Triage vorzunehmen und zu entscheiden, welcher Patient eine Beatmung erhalte und welcher nicht. Eine extreme Situation für alle Beteiligten. Die Leitlinie empfiehlt daher, die Entscheidung sorgfältig abzuwägen und möglichst immer das Mehraugenprinzip zu wahren. Ethische Fallbesprechungen können, so die Empfehlung weiter, zu mehr Transparenz bei Angehörigen und Mitarbeitern führen. Patienten, die nach sorgfältiger Abwägung keine invasive Therapie mit Beatmung erhalten könnten, müssten weiterhin und mit besonderer Sorgfalt an ihren individuellen Bedürfnissen versorgt und palliativ begleitet werden.
Die S1-Leitlinie wurde aktuell in der Zeitschrift „Schmerzmedizin“ publiziert und ist online unter www.dgschmerzmedizin.de zu finden.