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Krankenhausfinanzierung: Pflege hat verloren

16.03.2016 16:51
Seit 2004 gelten in der Krankenhausfinanzierung diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG-System), d.h. Krankenhäuser bekommen heute pro Diagnose und Fall ein definiertes Entgelt. Vor diesem Hintergrund habe eine massive Verschiebung beim Personal und den Kosten insbesondere von der Krankenhauspflege auf die Ärzteschaft stattgefunden, wies Prof. Frank Weidner, Leiter des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip), auf dem Deutschen Pflegetag 2016 in Berlin hin.

Demnach habe es in den zehn Jahren von 2004 bis 2014 in den verbliebenen rund 1.640 allgemeinen Krankenhäusern (- 10%) einen Zuwachs von rund 31.500 Vollzeitstellen für Ärzte gegeben (+ 28%). Bei der Pflege betrage der Anstieg lediglich 6.400 Vollzeitstellen (+ 2,3%), wobei es in den Jahren zuvor bereits einen massiven Stellenabbau in der Pflege um mehrere zehntausend Stellen gegeben habe. Die Personalkosten pro vollzeitbeschäftigten Arzt seien seit 2004 um 32.300,- Euro (+ 38%) gestiegen. Bei der Pflege verzeichne man lediglich einen Anstieg um 7.700,- Euro pro Vollzeitkraft (+ 17%). Beziehe man die Inflationsrate für den Zeitraum in die Betrachtung mit ein (+ 19%), seien die Personalkosten in der Pflege sogar gesunken.

Somit verwundere es auch nicht, dass die Gesamtpersonalkosten für die Ärzteschaft in diesen zehn Jahren um 7,3 Mrd. Euro (+ 76%) angestiegen seien. Bei der Pflege betrug der Anstieg rund 2,5 Mrd. Euro (+ 19%). Erstmals hätten im Jahr 2012 die Personalkosten der Ärzteschaft im Krankenhaus über denen der Pflege gelegen. Bereits 2014 hätten die allgemeinen Krankenhäuser rund 1,4 Mrd. Euro mehr für alle Mediziner als für alle Pflegefachkräfte ausgegeben.

Weidner moniert: „Hätte man die Pflege im Krankenhaus seit 2004 so wie die Ärzteschaft entwickelt, dann würden heute zusätzliche 73.000 Vollzeitstellen für Pflegekräfte in den allgemeinen Krankenhäusern zur Verfügung stehen. Die Personalkosten für die Pflege würden um rund 7,4 Mrd. höher liegen und eine Pflegefachkraft würde rund 20% mehr verdienen.“  In Studien des dip wurde nach eigenen Angaben wiederholt auf den Zusammenhang der problematischen Personalsituation und der Risiken in der Versorgungsqualität der Krankenhauspflege hingewiesen.

Vor diesem Hintergrund sei es immens wichtig, dass die Pflegenden „massenhaft in Berufsverbänden und Gewerkschaften eintreten", so Weidner weiter und weist darauf hin, dass das im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) beschlossenen Pflegestellen-Förderprogramm für die Jahre 2016 bis 2018 im Umfang von insgesamt 660 Mio nicht ausreichen werde und plädiert für eine Personalverordnung, die sich im Kern nach der Zahl der zu versorgenden Patienten und ihrem Pflegebedarf richte und festlege, wie viele Pflegefachkräfte sich um wie viele Patienten kümmern müssen.

Dass dies keine utopische Forderung sei, zeige ein Blick in die europäischen Nachbarländer: Einer großen internationalen Studie zufolge schneide Deutschland im Zahlenverhältnis Pflegefachkräfte pro Patienten gemeinsam mit Spanien am schlechtesten ab. Während in Deutschland im Durchschnitt eine Pflegefachkraft für 10,3 Patienten zuständig sei, seien es in Großbritannien 7,7, in der Schweiz 5,5, in den Niederlanden 4,9 und in Norwegen 3,8 Patienten (Durchschnitt 1 zu 7,2).

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