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Palliative Versorgung am Patienten orientieren

22.02.2018 17:33
Das Thema Patientenorientierung am Lebensende bewegt Ärzte, Pflegekräfte und Patienten gleichermaßen. Um den Bedarf und den Wünschen von Krebspatienten gerecht zu werden, sind strukturelle Veränderungen nötig – sowohl in der palliativmedizinischen Versorgung als auch in der onkologischen Pflege. Zu diesem Schluss kamen Experten auf einer Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Krebskongresses in Berlin.

Die meisten todkranken Menschen wünschen sich, ohne Schmerzen und in Würde zu Hause sterben zu können. Untersuchungen zeigen aber, dass Patienten am Lebensende eher übertherapiert werden und dass ihr Wunsch, im häuslichen Umfeld zu sterben, oft nicht berücksichtigt wird, so Prof. Birgitt van Oorschot, Palliativmedizinerin aus Würzburg. Meist falle die Entscheidung über die Frage, welche Behandlungen am Lebensende noch durchgeführt werden sollen, sehr spät, in der letzten Woche vor dem Tod. Für ein umfassendes „Advanced Care Planning“ bleibe da kaum noch Zeit.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Viele Patienten seien am Lebensende ambivalent, erklärte Dr. Bernd Oliver Maier, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin: Der Wunsch nach lebensverlängernden Maßnahmen treffe auf das Bedürfnis, sich mit dem nahenden Ende auseinanderzusetzen. „Beides ist authentisch, macht aber Therapieentscheidungen am Lebensende komplex. Unsere Versorgungsstrukturen sind nicht dafür gerüstet.“ Wichtig sei deshalb eine frühzeitige Einbeziehung der Palliativmedizin in die Versorgung unheilbar kranker Patienten und ein Assessment, das den individuellen palliativmedizinischen und onkologischen Versorgungsbedarf eines Patienten erfasst, um ihn optimal in der Entscheidungsfindung und Therapieplanung unterstützen zu können.

Auch der Mangel an Pflegekräften mache sich in diesem Zusammenhang nachteilig bemerkbar. Der Bedarf zusätzlicher Pflegekräfte werde allein im Krankenhaus auf mindestens 70.000 geschätzt. Zwar soll es ab 2019 verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen geben. Doch der Begriff „pflegesensitiv“ sei problematisch, bemängelte Torsten Rantzsch, Pflegedirektor am Universitätsklinikum Düsseldorf: „Pflege muss sich am Bedarf der Patienten orientieren. Personaluntergrenzen, die davon ausgehen, dass der Pflegebedarf bei allen Patienten gleich groß ist, werden den Pflegenotstand nicht verbessern.“

Das gelte in besonderem Maß für onkologische Patienten ‒ am Lebensende steige der pflegerische Aufwand, sowohl im stationären als auch im ambulanten Sektor, bestätigte auch Kerstin Paradies, Vorstandssprecherin der Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege in der Deutschen Krebsgesellschaft. Dabei gehe es nicht nur um Grundpflege, gefragt seien Fachkenntnisse im Umgang mit Nebenwirkungen, mit unterstützenden Maßnahmen und einer sensiblen Kommunikation. Onkologische Fachpflegekräfte seien für diese Aufgaben durch eine zweijährige Zusatzausbildung qualifiziert.

Aufgrund des Pflegenotstands und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit würden sie aber oft nicht für die Aufgaben eingesetzt, für die sie eigentlich ausgebildet sind. Paradies: „Wir brauchen neue Formen der Arbeitsteilung in der Pflege, die sich am Bedarf der Patienten orientieren. Die onkologische Fachpflege kann und will hier gerne mehr Verantwortung übernehmen, stößt dabei aber an die Grenzen im System", so Paradies. In vielen Gesundheitssystemen im Ausland, etwa in Skandinavien, seien Pflegekräfte dazu berechtigt, weiterreichende Kompetenzen als in Deutschland zu übernehmen. Dort sei Pflege ein akademischer Beruf mit einem höheren Stellenwert als in Deutschland.

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